Streitfall Zibakalam: Demo gegen die DW
18. Mai 2018Sie sind wenige, aber sie sind lautstark: 25 Demonstranten protestierten am Freitag gegen die Deutsche Welle. Sie wandten sich dagegen, dass der iranische Politikwissenschaftler Sadegh Zibalakam den "Freedom of Speech Award" der Deutschen Welle verliehen bekommt. Die Auszeichnung würdigt eine Person oder Initiative, die eine herausragende Position für Menschenrechte und Meinungsfreiheit bezieht. Nach Ansicht der Demonstranten, mehrheitlich Exil-Iraner, ist Zibakalam zu regierungsnah, um glaubwürdig zu sein. "Seit Jahren arbeitet Zibakalam mit dem iranischen Regime zusammen", sagte Mina Ahadi, die 1981 selbst aus dem Iran floh, in ihrer Rede.
Hauptvorwurf der Demonstranten gegen Zibakalam ist ein Interview, das er dem Web-Portal "IranWire" gab. Dort wurde er mit den Worten zitiert, er werde den Iran notfalls mit Waffengewalt gegenüber Angriffen von außen verteidigen. Für Ahadi ist er damit endgültig nicht mehr preiswürdig: "Wir fordern die Zuständigen der DW auf, von einer Überreichung des Freedom of Speech Awards an Sadegh Zibakalam wegen seiner Unterstützung eines diktatorischen Regimes abzusehen, das seit 39 Jahren auf Folter, Freiheitsberaubung, Hinrichtungen und Terror basiert."
"Aus dem Zusammenhang gerissen"
Doch Zibakalam weist diese Lesart zurück: Das Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen und verkürzt dargestellt worden. Was er in diesem Interview gesagt habe, "war nichts Anderes als die Aussage, dass die gegenwärtige Lage im Iran und in der Region zum Sturz des politischen Systems und somit zum Zusammenbruch unseres Landes und unserer Heimat führen könnte. Mein Argument hierzu war und ist, dass man sich für die Erhaltung der Unabhängigkeit und Integrität Irans vielleicht sogar den schwierigsten Optionen stellen muss."
Sadegh Zibakalam wies darauf hin, dass "das herrschende System im Iran, optimistisch gesehen, die Unterstützung von nur 30 Prozent der Bevölkerung genießt. Wie ist es dann möglich zu behaupten, ich würde gegen die restlichen 70 Prozent der Bevölkerung bewaffnet vorgehen und auf sie schießen wollen? Hier ist auch ein bisschen Vernunft gefragt."
DW-Sprecher Christoph Jumpelt gab den Demonstranten diese Stellungnahme und diskutierte mit ihnen. Sie beharrten allerdings auf ihrer Interpretation und verwiesen auf entsprechende Tonaufnahmen auf Farsi.
Reform oder Umsturz?
Schon in einem Interview, das Zibakalam im Januar der DW gab, bekannte sich der 69 Jahre alte Politikwissenschaftler zu einer Politik der Reformen in seinem Land. "In diesem Interview betonte ich, es gibt keine andere Option als Umsetzung von Reformen und Änderungen, auch wenn sie sich in kleinen Schritten vollziehen." Ein revolutionärer Umsturz würde das Land ins Chaos stürzen, befürchtet er. Das sehen die Demonstranten ganz anders: "Die Chance, den Iran durch Reformen zu verändern, ist schon seit Jahren vorbei", sagte Ahadi.
Sein Interview, das er zu Jahresbeginn dem persischen Programm der DW gab, hatte für ihn persönliche Konsequenzen. Von dem Revolutionsgericht in Teheran wurde er zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Außerdem wurde ihm verboten, öffentliche Reden zu halten, Schriften zu veröffentlichen oder Interviews zu geben. Dennoch freute er sich über die Preisvergabe: "Ich fühle mich sehr geehrt", sagt Zibakalam. "Im Iran ist es ein politisches Verbrechen, eine Meinung zu vertreten, die von der Auffassung des Establishments abweicht. Das ist die bittere Realität in meinem Land, in dem der Kampf um die Meinungsfreiheit eine lange Geschichte hat. Deshalb würden Hunderte weiterer Iraner diesen Preis für die Achtung der Meinungsfreiheit ebenso verdienen."
Der Grünen-Politiker Omid Nouripour kann die Kritik an der Preisvergabe nicht nachvollziehen; er findet es "extrem gut", dass Zibakalam den Preis erhält: "Das ist eine Ermutigung für Leute, die sich unter riesigem Druck trauen, Dinge zu sagen, die im Ausland vielleicht einfach zu sagen sind, im Iran aber sehr sanktioniert werden", sagte Nouripour der DW. Die scharfen Kritiker von Zibakalam hätten es als Exil-Oppositionelle leicht; sie würden nicht belangt, weil sie "in freiheitlichen und rechtsstaatlichen Staaten leben und nicht im Iran".