DW-TV: Herr Krüger, von der kleinen Eisdiele nebenan bis hin zur Deutschen Bahn, zum Beispiel, findet sich heute eigentlich kaum noch Unternehmen, das nicht experimentiert zumindest mit sozialen Netzwerken. Was sind die Möglichkeiten, die sich da eröffnen?
Jens Krüger: Es geht den Unternehmen vor allem darum, neue Zielgruppen anzusprechen, die sie über klassische Kommunikationskanäle wie TV-, Hörfunkwerbung oder auch eben Werbung in Zeitschriften nicht oder nicht mehr erreichen, also vor allem junge mobile Zielgruppen und mit diesen tatsächlich in einen wirklichen, echten Dialog einzutreten, d.h. nicht nur einen Kanal zu nutzen, sondern auch tatsächlich sich gemeinsam mit den Konsumenten auszutauschen.
DW-TV: Es ist also mehr als eine Werbeplattform?
Jens Krüger: Es ist mehr als eine Werbeplattform, genau. Viele Unternehmen haben das aber noch nicht verstanden. Sie haben es eben gesagt: "experiementieren" ist sicherlich das Stichwort. Viele Unternehmen sehen tatsächlich noch in ihren Organisationsstrukturen, in ihren Marketingplänen diese Einwegkommunikation als die hauptsächlich gelebte an. Auf der anderen Seite eröffnet Dialog tatsächlich eine ganz andere Dimension in Richtung Aufbau von Image, in Richtung Reputation, Nachhaltigkeit. Aber viele Unternehmen sind darauf selbst noch nicht eingestellt, nur die wenigsten haben solche Social Media-Abteilungen oder tatsächlich einen Social Media-Manager im Unternehmen angestellt.
DW-TV: Sollte man aber eigentlich haben, denn dieser Mut zur Kommunikation mit dem Kunden ist natürlich auch durchaus ein Risiko, so was kann ja auch nach hinten losgehen?
Jens Krüger: Richtig. Wobei mit dem Manager alleine ist es auch nicht getan. Es geht um die Strategie. Die meisten Unternehmen, auf die wir treffen, wollen irgendwo, genauso ist es, irgendwo auf Facebook sein, irgendwo auf Twitter sein. Sie wollen dieses neue Medium, diesen neuen Kanal nutzen.
DW-TV: Aber wo liegt die Gefahr für sie?
Jens Krüger: Die Gefahr liegt erstmal da, dass sie keine Strategie haben und nicht wissen, was sie wollen.
DW-TV: Und wenn mal der Nutzer mal negativ reagiert, zum Beispiel?
Jens Krüger: Da muss ich das aushalten. Und das ist eben ein Thema, wo viele Unternehmen es nicht gewohnt sind. Im Rahmen der klassischen Kommunikationskanäle kann ich als Marke meine Botschaften ausstrahlen und erwarte eigentlich keine Antwort. Ebend auf den Dialog sind die wenigsten Unternehmen eingestellt.
DW-TV: Haben Sie ein Beispiel was passiert, wenn das mal negativ gelaufen ist.
Jens Krüger: Ein schönes Beispiel ist ein großer Windelhersteller, der vor zwei, drei Jahren selbst auf diese Strategie gesetzt hat, hat einen eigenen Blog und ein eigenes Forum eingerichtet, wo dann User tatsächlich Dinge posten konnten – wirklich Informationen, auch Meinungen, Kritik, Gutes, Positives über die Marke. Und man ist dann leider hingegangen und hat negative Meldungen gelöscht. Und das war natürlich ein Aufschreien der Community selbst, weil es ging um Zensur. Und das ist natürlich etwas, was dieses Unternehmen dann sehr sehr schnell gelernt hat und eben auch viele andere Unternehmen lernen müssen, sich darauf einzustellen und es ein Stück auszuhalten, auch mit negativen Meldungen umzugehen.
DW-TV: Learning by doing und Mut zur offenen Kommunikation – das ist wahrscheinlich das Fazit, das wir hier für Unternehmen und Social Networks auf jeden Fall ziehen müssen. Vielen Dank, Jens Krüger.
(Interview: Julia Böhm)