Svenja Schulze in der Zwickmühle
9. Juli 2019Kiefern, soweit das Auge reicht: Die Busfahrt durch den Osten Brandenburgs führt fast nur durch Kiefernwälder. Noch. Denn die Monokultur, die hier traditionell seit Jahrzehnten Bauholz liefert, sei nicht mehr zeitgemäß, erklärt Carsten Linke, Mitarbeiter des Umweltministeriums von Brandenburg, der die Pressefahrt begleitet.
"Brandenburg ist die regenärmste Region Deutschlands. Auch durch den Klimawandel gibt es immer weniger Grundwasser. Und Kiefern lassen weniger Wasser in den Untergrund als andere Baumarten, wie etwa Eichen." Brandenburg muss also umdenken und mehrere Baumarten anbauen. Bleibt der Wasserhaushalt so prekär wie derzeit, kippt das System. Nur ein Beispiel dafür, dass der Klimawandel voll angekommen ist, auch hier in dem ostdeutschen Bundesland.
Eigentlich eine Chance
Das ist auch eine Chance für die Sozialdemokraten, die hier in Brandenburg den Ministerpräsidenten stellen. Und auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze gehört der SPD an. Aber so einfach ist das alles nicht. Die SPD verliert seit Monaten in den Umfragen Stimmen, gerade auch hier in Brandenburg.
SPD von zwei Seiten unter Druck
Die SPD als Mitregierungspartei in Berlin wird einerseits von der weltweiten Jugendbewegung "FridaysforFuture" getrieben, die endlich energische Schritte beim Klimawandel einfordert. Für die Klimaaktivisten kommt der Ausstieg Deutschlands aus der Kohle-Verstromung, beschlossen bis 2038 auch durch die SPD, viel zu spät. Andererseits, gerade hier in Brandenburg, sitzen der SPD die Rechtspopulisten von der Alternative für Deutschland (AfD) im Nacken. Sie werfen der SPD vor, die letzten rund 40.000 Beschäftigten in Brandenburg, die direkt oder indirekt noch von der Kohle abhängen, zu verraten.
Am 1. September ist Landtagswahl in Brandenburg. Ob die SPD danach weiterregieren kann, ist fraglich. Die AfD liegt in einigen Umfragen mit ihr gleichauf.
Vor Ort die Probleme lösen?
Svenja Schulze kennt die Probleme: "Die SPD ist gut beraten, ganz konkret aufzuzeigen, wo denn hier die Perspektiven liegen. Und dass mit dem Klimaschutz noch die Chance besteht, dass es auch für künftige Generationen hier noch Platz zum Leben gibt." Leichter gesagt als getan.
Dabei gibt es durchaus Perspektiven: Längst setzen die Forst-Wirtschaftler des Landes auf Vielfalt bei den Baumarten und sorgen somit dafür, dass die Wälder weniger Grundwasser verbrauchen. Betriebe werden angesiedelt, die in der Batterietechnik forschen, die für die klimafreundlichen erneuerbaren Energien so wichtig sind. Die Ministerin besichtigt bei ihrer Reise einen Betrieb, der sich um das Recycling von Windanlagen kümmert. Lauter gute Nachrichten für die SPD-Politikerin.
Kohleausstieg als Wahlkampfthema
Aber was hilft das alles, wenn der Kohleabbau, der hier über viele Jahrzehnte das Leben bestimmte, beendet wird, wenn auch erst in knapp 20 Jahren? Einige Kraftwerksblöcke werden schon früher abgeschaltet. Die Bundesregierung will mit Milliarden an Strukturhilfen gegensteuern. Dennoch ist das Wahlkampfthema Nummer eins ein Problem für die SPD.
Das weiß auch SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke, der am Abend zu der Reisegruppe der Umweltministerin stößt. "In den Kohleregionen wird man nicht mit La Ola empfangen, wenn man vom Kohleausstieg berichtet." Und anders als seine Parteifreundin Svenja Schulze ist er gegen eine Abgabe auf Klimagase für alle Bürger. Im Flächenland Brandenburg würde das viele Pendler zu sehr belasten, erklärt er. Die SPD und der Klima- und Umweltschutz: zwei SPD-Regierungspolitiker, zwei Meinungen. Auch das kommt so kurz vor der Landtagswahl nicht gut an.
Und dann auch noch der Wolf
Auch ein anderes Natur-Thema ist ein großes Problem für die SPD: der Umgang mit dem Wolf. Vor 20 Jahren gab es in Deutschland keine Wölfe mehr, jetzt sind vor allem aus Osteuropa einige hundert Tiere vor allem nach Sachsen und Brandenburg gekommen. Die Umweltaktivisten freuen sich, aber auf den Straßen hört man skurrile Theorien: Die Wölfe seien von Naturfreunden aus "dem Westen" absichtlich hier angesiedelt worden. Ein gefundenes Fressen für die AfD, die den Wolf im Wahlkampf breit thematisiert. Und einen Massenabschuss fordert.
Das Umweltministerium versichert: Kein einziger Schäfer habe berichtet, dass ein Wolf ein Schaf gerissen hätte. Demonstrativ besucht die Reisegruppe der Umweltministerin das "Dokumentationszentrum Wolf" in Görlitz in Sachsen, an der Grenze zu Polen. Allerdings erzählen einige Schäfer in Brandenburg, sie müssten inzwischen mehr in Zäune und Wachhunde investieren.
Ein aufgegebener Tagebau
Zum Schluss besucht die Reisegruppe einen schon aufgegeben Braunkohletagebau in Meuro bei Cottbus. Durch Flutung entstand hier ein neuer See. Hier kann man heute schon sehen, wie es in Brandenburg einmal aussehen könnte, wenn es die Kohle nicht mehr gibt.
Gerade die SPD aber hat lange an der Braunkohle festgehalten. Jetzt gerät sie von zwei Seiten gleichzeitig unter Druck: von den Umweltschützern und Grünen, die den Kohleabbau lieber heute als morgen beenden würden, und von den Rechtspopulisten, die ihn erhalten wollen. Das ist das große Dilemma der SPD in Brandenburg so kurz vor der Landtagswahl.