Syrien Kompakt
9. Oktober 2009Wenn Deutsche Arabisch lernen wollen, gehen sie oft nach Syrien. Ob der Dialekt, den man dort spricht, dem Hocharabischen am nächsten liegt – darüber wird unter Arabern und Arabischkennern zwar leidenschaftlich gestritten. Doch wer in der syrischen Hauptstadt Damaskus Arabisch gelernt hat, den lassen Sprache, Land und Menschen oft nicht mehr los. Einmal Damaskus, immer Damaskus - heißt es in vielen Kreisen deutscher Arabischlerner.
Warum Syrien eine wahre Fundgrube für Archäologen ist
Das liegt nicht allein an der Faszination der Altstadt von Damaskus. Syrien war auch schon immer ein Verkehrsknotenpunkt in der Region. Das Land grenzt geographisch an Kleinasien und ist vom Mittelmeer aus gesehen das Tor zum asiatischen Kontinent und zur arabischen Halbinsel. An Syrien führte bis zum 19. Jahrhundert kein Weg vorbei. Deshalb ist das Land heute für Archäologen ein wahrer Schatz. Beinahe ständig werden neue Gräber und Städte aus der Antike entdeckt. Wissenschaftlich ist zwar nicht eindeutig bewiesen, welches Volk als erstes Syrien bewohnt hat, aber alle antiken Hochkulturen haben dort Spuren hinterlassen.
Syrien ist Multikulti
Heute zählt die Bevölkerung Syriens etwa 20,5 Millionen Einwohner unterschiedlicher Abstammung. Die Mehrzahl sind Araber, gefolgt von den Kurden. Über sie gibt es – auch aus politischen Gründen - keine verlässlichen Zahlen. Das deutsche Auswärtige Amt beziffert ihren Anteil auf eine halbe bis eine Million. Weitere Bevölkerungsgruppen sind Armenier, Turkmenen und Tscherkessen. Hinzu kommen etwa eine halbe Million Palästinenser, die in Syrien offiziell den Status von Flüchtlingen haben. Seit Beginn des Irak-Kriegs 2003 sind überdies schätzungsweise etwa zwei Millionen Iraker nach Syrien geflohen oder ausgewandert.
In Sachen Religion dominiert der Islam
Laut offiziellen Angaben sind 80 Prozent aller Syrer Muslime. Dabei bilden die Sunniten mit etwa 70 Prozent den größten Anteil, gefolgt von den Alawiten, einer kleineren religiösen Strömung, der auch die Familie von Präsident Bashar Al-Assad angehört. Die Alawiten stellen rund 12 Prozent der syrischen Bevölkerung. Neben den Muslimen gibt es eine traditionsreiche christliche Gemeinde unterschiedlicher Konfessionen. Die Christen leben vor allem in den Großstädten Damaskus und Aleppo sowie in christlichen Dörfern im Zentrum des Landes. Das Leben zwischen den unterschiedlichen Konfessionen in Syrien verläuft im Allgemeinen friedlich.
Die Baath-Partei dominiert die Politik
Staat und Gesellschaft sind immer noch stark von der weltlich orientierten Ideologie der Baath-Partei geprägt, die keine religiösen Unterschiede, sondern die gemeinsame Zugehörigkeit zur arabischen Nation betont. Die Baath-Partei wurde in den 40er Jahren in Damaskus gemeinsam von christlichen und muslimischen Aktivisten gegründet und ist in Syrien seit 1963 die allein herrschende Partei. Ihre ursprünglichen Ziele waren Sozialismus und Nationalismus arabischer Prägung, zudem propagierte sie die Einheit der arabischen Nation (Pan-Arabismus). Sie agierte in einer Vielzahl arabischer Ländern. So gehörte auch der frühere irakische Diktator Saddam Hussein einem Flügel der Baath-Partei an. Die irakischen „Baathisten“ hatten sich allerdings im Laufe der Geschichte bis zu Feindschaft mit dem syrischen Parteiflügel zerstritten.
In Syrien spricht man vor allem Arabisch
Von den pan-arabischen und sozialistischen Idealen ist heute nicht viel übrig geblieben, aber arabischer Nationalismus spielt im syrischen Gesellschaftsmodell immer noch eine große Rolle. So ist Arabisch Amts- und Nationalsprache - auch für nicht-arabische Minderheiten wie die Kurden. Zudem legt das Regime seit dessen Bestehen großen Wert auf eine konsequente Arabisierung in Schulen und Universitäten. Andere Sprachen sind teils vom Ausstreben bedroht, sie sind aber nicht verboten. In einigen Gegenden des Landes kann man bis heute noch Aramäisch hören, die Sprache, die einst Jesus Christus gesprochen haben soll.
Analphabetentum ist immer noch ein Problem
Es gibt bis heute allerdings auch einen beträchtlichen Anteil an Menschen, die weder lesen noch schreiben können. Die Analphabetenrate unter den Männern in Syrien liegt bei 17 Prozent, bei den Frauen sind es sogar über 40 Prozent. Diese Zahlen widersprechen dem von der Regierung gern gepflegten Image Syriens als führende Kulturnation in der arabischen Welt. Deshalb führt die Regierung seit Juli 2005 in Zusammenarbeit mit der Entwicklungsorganisation der Vereinten Nationen (UNDP) eine ehrgeizige Schul- und Hochschulreform durch. Der Plan ist überaus ambitioniert: Bis 2015 will die Regierung das Problem der Analphabetismus weitgehend in den Griff bekommen haben.
Bekannte Literaten
Unumstritten ist unter arabischen Intellektuellen die hohe Bedeutung Syriens für die Modernisierung der arabischen Sprache und die Entwicklung der post-kolonialen arabischen Literatur. Bis heute sind viele syrische Philosophen und Schriftsteller weit über die arabische Welt hinaus bekannt. So erhielt der Denker und Philosoph Sadiq Jalal Al-Azm 2005 die Ehrendoktorwürde der Universität Hannover. Der unter dem Pseudonym "Adonis" bekannte Dichter Ali Ahmad Said wurde unter anderem 2001 mit der offiziellen deutschen Goethe-Medaille ausgezeichnet und mehrfach für den Literatur-Nobelpreis vorgeschlagen.
Autor: Khalid ElKaoutit
Redaktion: Rainer Sollich