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Syriens ungewisse Zukunft

Kersten Knipp1. Oktober 2013

Nach dem Beschluss des UN-Sicherheitsrats geht der Syrien-Konflikt in eine neue Phase. Wie er sich entwickelt, ist ungewiss. Denn einem Ende der Gewalt stehen viele Hindernisse im Weg.

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Syrische Kampftruppen in der Provinz Latakia (Foto: pa/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Zweieinhalb Jahre nach Ausbruch des Aufstands in Syrien hat der UN-Sicherheitsrat eine Resolution verabschiedet - einen Minimalkonsens, auf den sich Russen und US-Amerikaner einigen konnten. Welche Folgen das Abkommen für die Entwicklung des Aufstandes in Syrien haben könnte, ist umstritten. Denn nach Ansicht mancher Beobachter lässt die Resolution für Syrien dringende Fragen unbeantwortet.

Der syrische Außenminister Walid al-Muallim deutete am Montag (30.09.2013) in seiner Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen die Möglichkeit einer politischen Lösung an. Allerdings nannte er dafür Bedingungen: "Das Ende einer aggressiven Politik gegenüber Syrien ist der erste Schritt auf dem Weg zu einer Lösung in meinem Land." Mit Blick auf die Unterstützerstaaten der Rebellen schränkte er aber ein: "Angesichts der fortwährenden Unterstützung des Terrorismus, ob durch Waffenlieferungen, finanzielle Unterstützung oder Training, ist jede politische Lösung eine Illusion."

Streit um Terrorismus

Die "Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte" reagierte umgehend. Sie störte sich vor allem an dem Begriff "Terrorismus". Sie warf der Assad-Regierung vor, auf die anfangs friedlichen Proteste mit zunehmender Gewalt reagiert zu haben. "Inzwischen", so die Nationale Koalition in einer Presseerklärung, "hat das Regime die Tür für Extremisten aus der ganzen Welt geöffnet, damit sie die gemäßigten Kräfte in Syrien bekämpfen". Mit dieser Taktik verfolge die Assad-Regierung ein klares Ziel, auf das auch der syrische Außenminister seine Rede vor den UN zugeschnitten habe: "Al-Muallim versuchte, jeden Opponenten als extremistischen Terroristen darzustellen, indem er einige Vorfälle, die die Opposition eindeutig verurteilt hat, auf reißerische Weise darstellt."

Der syrische Außenminister Walid Mualem spricht am 01.01.2012 vor den Vereinten Nationen (Foto: AP/dapd)
Kennt keine Gegner, sondern nur Terroristen: der syrische AußenministerBild: dapd

Die Nationale Koalition nimmt die Rede Al-Muallims zum Anlass, noch einmal ihre Distanz zu den Dschihadisten zu betonen: "Die Extremisten und Terroristen repräsentieren die Opposition nicht, wie die Syrische Koalition wiederholt und deutlich gesagt hat."

Dieses und andere Dementis zeigen: Der "Nationalen Koalition" bereitet die Anwesenheit dschihadistischer Kämpfer in Syrien ernsthafte Probleme. Denn die westlichen Verbündeten der Aufständischen zögern, diese mit Waffen zu unterstützen, aus Sorge, sie könnten Extremisten in die Hände fallen.

Zynisches Kalkül

Nach Ansicht von Nadim Shehadi, Politikwissenschaftler beim renommierten englischen Think Tank "Chatham House", ist genau dies das Kalkül der Assad-Regierung. Die Strategie sei hinlänglich bekannt: "Man öffnet die Gefängnisse und entlässt die Schurken und Kriminellen. So stiftet man Chaos, das man dann zu bekämpfen vorgibt. Auf diese Weise gewinnt man verlorene Popularität zurück." Aus diesem Grund habe die Regierung Assad in den letzten drei Jahren viele Dschihadisten aus den Gefängnissen entlassen. "Das Regime bekämpft eine Opposition, die es selbst geschaffen hat."

Eine Schule in Raqqa (Ostsyrien) nach einem Angriff am 29. 09.2013 (Foto: REUTERS)
Die Gewalt geht weiter: Eine Schule in Raqqa (Ostsyrien) nach einem AngriffBild: Reuters

Doch die Dschihadisten kommen nicht nur aus den syrischen Gefängnissen, sondern auch aus dem Ausland. Das räumt auch Sadiq Al-Mousllie, Vertreter des oppositionellen Syrischen Nationalrats in Deutschland, im Gespräch mit der DW ein. Sie hätten sich die Schwäche der Opposition aufgrund fehlender internationaler Unterstützung zunutze gemacht. Da Waffenlieferungen ausgeblieben seien, hätte die Opposition Assads Truppen nicht so wirksam wie gewünscht entgegentreten können. Die Dschihadisten seien aber nur ein kleiner Teil der Opposition. Er sei sich sicher, dass sich die syrische Bevölkerung nach einem Ende der Gewalt gegen die Dschihadisten und ihre Ideologie stellen werde. "Davon bin ich überzeugt. Da brauche ich nicht lange zu überlegen."

Gewalt geht weiter trotz UN-Resolution

Doch der Terrorismus ist nicht die einzige strittige Frage, die einer politischen Annäherung der beiden Parteien im Wege steht. Die syrische Opposition stößt sich auch an der Resolution selbst, die sich vor allem der Frage nach dem Umgang mit den Chemiewaffen widmet. Eben darum lenkt sie für Nadim Shehadi zumindest kurzfristig von den wesentlichen Problemen ab. Denn trotz der Resolution werde in Syrien weiter gekämpft. Darum habe das UN-Papier der Assad-Regierung vor allem Zeit verschafft. Und die nutze es, um weiter gegen die Aufständischen vorzugehen. "Das Regime hat von der Internationalen Gemeinschaft einen Freibrief erhalten, die Revolte zu unterdrücken."

Kämpfer der islamistischen Gruppe Jabhat al-Nusra in Syrien (Foto: Reuters)
Kämpfer der islamistischen Gruppe Jabhat al-Nusra in SyrienBild: Reuters

Ähnlich sieht es Sadiq Al-Mousllie vom Syrischen Nationalrat: Die Resolution sei zwar ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung. "Aber leider lindert sie nicht das Leid der syrischen Bevölkerung. Denn das Töten geht nach wie vor weiter. Hunderte von Menschen sterben."

Aber auch die terroristischen Gruppen nutzen die Zeit, ihre Ziele durchzusetzen. Unmittelbaren Einfluss auf die Kämpfe in Syrien hat die UN-Resolution nicht. Ihr werden darum weitere Schritte folgen müssen, sagt der Politologe Volker Perthes von der "Stiftung Wissenschaft und Politik". Die Mitgliedsstaaten des UN-Sicherheitsrates seien nun gefordert, weiteren Druck auf die verschiedenen Akteure in Syrien aufzubauen. "Sie müssen ihren jeweiligen Klienten in Syrien mitteilen, dass eine militärische Lösung nicht mehr vorgesehen ist, man stattdessen auf einen politischen Übergang hinarbeiten wird."