Griechenland öffentlich-rechtliches Fernsehen
13. Mai 2015"Die Schließung eines öffentlichen Unternehmens rückgängig zu machen - das hat vorher noch niemand geschafft", sagt Nikos Michalitsis, ehemaliger ERT-Produktionsleiter und Gewerkschaftsvertreter. "Wir haben lange gekämpft, damit ERT auf Sendung gehen kann und alle entlassenen Arbeitnehmer ihren alten Job wieder bekommen".
Für Nikos Michalitsis überwiegt das Gefühl der Genugtuung. Im Juni 2013 hatte der ehemalige griechische Regierungschef Antonis Samaras den Staatsfunk aus Spargründen eingestellt und alle 2.650 Mitarbeiter auf einen Schlag entlassen.
Daraufhin ging übergangsweise ein Rumpfsender mit dem einfallslosen Namen "Öffentliches Fernsehen" auf Sendung, der später in NERIT umbenannt wurde. Bis heute ist er in Betrieb, kommt mit einigen Hundert Mitarbeitern aus und besticht kaum durch kritischen Journalismus.
Totgesagte leben länger
Dabei hatte der frühere Premier Antonis Samaras einen Nachfolgesender nach dem Vorbild der britischen BBC in Aussicht gestellt, damit "Verschwendung von öffentlichen Geldern, Vetternwirtschaft und Gefälligkeitsjournalismus der Vergangenheit angehören", wie es damals hieß.
Syriza hatte den Übergangssender NERIT als Regierungsbetrieb kritisiert und konsequent boykottiert. Linkspremier Alexis Tsipras lässt nun ERT neu starten und erfüllt damit ein wichtiges Wahlversprechen. Auch die Unabhängigkeit soll gewährleistet sein: Der Sender soll sich durch eine monatliche Gebühr in Höhe von drei Euro pro Haushalt finanzieren.
Derzeit wird der neue ERT-Vorstand formiert, dessen Zusammensetzung allerdings für Aufsehen sorgt: "Präsident" der ERT-Gruppe wird der Musiker und Linksintellektuelle Dionysis Tsaknis. Zum geschäftsführenden Direktor wird der Journalist Lampis Tagmatarchis gekürt, der bis 2012 die gleiche Position innehatte. Ein leitender Redakteur der Linkszeitung Avgi ist als Nachrichtenchef im Gespräch. Sieht so ein Neuanfang aus?
Neuer Sender, alte Probleme
Für den ehemaligen ERT-Produktionsleiter und Gewerkschaftsvertreter Nikos Michalitsis muss sich zeigen, "ob dem neuen Vorstand die Neuorientierung gelingt". Weniger diplomatisch geben sich drei Syriza-Abgeordnete und ehemalige ERT-Journalisten.
In einem gemeinsamen, offenen Brief kritisieren sie die Zusammensetzung des neuen Vorstandes. Mit "großer Überraschung" habe man die ERT-Personalpolitik zur Kenntnis genommen, die bei Arbeitnehmern "für Unruhe" sorge, mahnen die Linkspolitiker in einem Protestbrief.
Der ERT-Vorstand muss noch vom zuständigen Ausschuss des griechischen Parlaments gebilligt werden, was allerdings als Formsache gilt. Thanassis Mavridis, Journalist und Direktor des Wirtschaftsportals Capital.gr, befürchtet eine Fortsetzung des traditionellen politischen Klientelismus in neuem Gewand.
"In diesem Land brauchen wir einen wirklich unabhängigen, regierungsfernen, öffentlich-rechtlichen Sender. Doch weder die Konservativen, noch die Sozialisten und anscheinend auch nicht die Linken sind willens, so etwas zustande zu bringen", empört sich Mavridis im Gespräch mit der DW. Alle Regierenden wollten lieber einen Sender, in dem Parteifreunde oder bestimmte Cliquen das Sagen haben, klagt der Journalist.
Konfliktpotential unter TV-Kollegen
Gewerkschaftsvertreter feierten derweil die Wiedergeburt des Senders mit einer symbolischen Protestaktion: Hunderte von ehemaligen ERT-Angestellten stürmten das Athener Funkhaus, in dem derzeit der Übergangssender NERIT untergebracht ist, und hielten dort eine Versammlung ab. Es war eine friedliche Kundgebung, die vom abtretenden NERIT-Vorstand auch genehmigt war. Und es war das erste Mal, dass entlassene ERT-Mitarbeiter den NERIT-Angestellten auf engstem Raum gegenüberstanden.
Die Frage, ob alle Medienschaffende im Staatsdienst in Zukunft an einem Strang ziehen, birgt Konflikte. Denn viele der ERT-Entlassenen hatten sich ursprünglich geweigert für NERIT zu arbeiten und strahlten lieber ehrenamtlich ihr eigenes Protestprogramm über das Internet aus. "Vielleicht sind diese Menschen sauer auf ehemalige Kollegen, die einen Vertrag beim Nachfolgesender ergatterten. Es wird nicht einfach, wenn wir wieder zusammenkommen", sagt ein NERIT-Journalist, der nicht beim Namen genannt werden will.