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"Systematische Unterdrückung"

Fang Wan/gh13. Juli 2015

Das großangelegte Vorgehen der chinesischen Führung gegen Menschenrechtsanwälte des Landes hat Hongkonger Juristen auf den Plan gerufen. Sie fordern den Westen auf, Stellung zu beziehen.

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Das Volksgerichthof in Guangzhou. (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP Photo/P. Traynor)

Von den über 100 auf Menschenrechtsfragen spezialisierten Anwälten, die in den vergangenen Tagen von den chinesischen Behörden festgenommen oder vorgeladen wurden, sind über 80 inzwischen wieder freigelassen worden, berichtet die Hongkonger "Gruppe für die Interessen der Menschenrechtsanwälte in China."

Dennoch bleibe ihre Situation schwierig. Inhaftiert wurde auch Zhou Shifeng von der Pekinger Kanzlei Fengrui, wie Xinhua meldet. Der Verteidiger der chinesischen Journalistin und "Zeit"-Mitarbeiterin Zhang Miao wurde am Freitagmorgen, sechs Stunden nach Zhangs Freilassung, festgenommen. Über seinen Verbleib war tagelang nichts zu erfahren. Über die Kampagne der chinesischen Führung gegen die unliebsamen Juristen sprach - um berufliche Nachteile zu vermeiden unter Wahrung der Anonymität - ein Mitglied der Hongkonger "Gruppe für die Interessen der Menschenrechtsanwälte in China" (CHRLCG) mit der DW.

Deutsche Welle: Wie bewerten Sie die Situation der Menschenrechtsanwälte in China?

CHRLCG-Mittglied: Seit Ende vergangenen Jahres wurden zunächst die größeren Nichtregierungsorganisationen "auf Kurs gebracht". Es folgten eine Reihe von neuen Gesetzen und Verordnungen, die sich auf die Zivilgesellschaft beziehen. Auch die Maßnahmen gegen Menschenrechtsanwälte zählen dazu.

Der Umfang der Maßnahmen und die Anzahl der betroffenen Juristen werden immer größer.

Genau das bereitet uns Sorgen. Denn es wird nicht gegen einzelne Anwälte vorgegangen. Wir beobachten eine systematische Unterdrückung der Menschenrechtsanwälte durch den Staat mit dem Ziel, ihnen ihre Berufsausübung gänzlich unmöglich zu machen. Wir haben derartige Maßnahmen in 15 Provinzen registriert.

Die Anwaltskanzlei Fengrui in Peking steht im Zentrum der staatlichen Maßnahmen. Die amtliche Agentur Xinhua meldet, diese habe Bittsteller zu Klagen angestiftet und somit die gesellschaftliche Ordnung gestört.

Tatsächlich hat die Rechtsanwaltskanzlei Fengrui wiederholt Mandanten in politisch heiklen Strafverfahren vertreten. Da muss ich meinen Respekt aussprechen. Vielleicht hat die Kanzlei sich so unbeliebt gemacht, dass der Staat an ihr ein Exempel statuieren will, um die anderen einzuschüchtern.

Einige Rechtsanwälte wurden "zum Gespräch vorgeladen" und durften danach nach Hause gehen. Was haben Sie von den Betroffenen gehört?

Ich bitte um Verständnis, dass wir diese Informationen vertraulich behandeln. Einige Rechtsanwälte, die nun auf dem freien Fuß sind, können jederzeit wieder vorgeladen oder weggesperrt werden. Die, die jetzt frei sind, haben keine Garantie, dass sie weiter frei bleiben.

Das US-Außenministerium hat sich "sehr besorgt" über das Schicksal der Menschenrechtsanwälte in China geäußert. Glauben Sie, dass die internationale Gemeinschaft Druck ausüben kann?

Ich denke, dass die jetzige chinesische Regierung sich nicht unter Druck setzen lässt. Aber die internationale Gesellschaft ist dazu verpflichtet, Unzufriedenheit über die Unterdrückung der Menschenrechte und insbesondere die der Menschenrechtsanwälte auszudrücken.

Es gibt in China nur eine Handvoll von Menschenrechtsanwälten. Sie bewegen sich in einem äußerst schwierigen Umfeld. In einzelnen Fällen leisten sie enorme Beiträge zum Schutz der Menschenrechte und zum Rechtsstaat. Dass es sie weiter gibt, ist äußerst wichtig.

Die Praxis der chinesischen Behörden verstößt gegen allgemein anerkannte rechtsstaatliche Prinzipien. Wenn China als Mitglied in der internationalen Gemeinschaft diese Pflicht verletzt, ist es notwendig, dass China darauf aufmerksam gemacht wird.

Die "China Human Rights Lawyers Concern Group" in Hongkong wurde im Januar 2007 gegründet und setzt sich für den Schutz der Menschenrechtsanwälte ein. Viele Mitglieder der Gruppe sind praktizierende Rechtsanwälte und Richter.

Das Interview führte Fang Wan.