Südafrika: Harter Winter und Stromausfälle
28. Mai 2023Lindie Dlamini, zweifache Mutter aus Johannesburg, ist frustriert: "Stromprobleme gibt es hier schon seit langem und die Regierung tut nichts dagegen", sagt sie der DW. Die Energiekrise in Südafrika ist nicht neu, sie plagt das Land seit mehr als 15 Jahren - und sie verschärft sich zur Zeit unter anderem deshalb, weil die Wintertemperaturen früher als üblich auf den Gefrierpunkt sinken.
Auch Thelma Ramalepe, Lehrerin an einer Schule in Johannesburg, zeigt sich im DW-Gespräch empört - die anhaltende Stromkrise habe den Unterricht praktisch zum Stillstand gebracht: "Den Schülern der Klassen 10 und 11 wurden Tablets gegeben, aber sie sind nutzlos, wenn der Strom abgeschaltet wird. Wir haben die meiste Zeit keine Elektrizität. Wir kaufen immer wieder Benzin für den Betrieb eines kleinen Generators, aber das funktioniert selten. Die Schüler können nicht arbeiten."
Angela Muyela ist ebenfalls unglücklich über die zahlreichen Stromausfälle. "Dieses Stromproblem ist wirklich unangenehm. Das fängt bei den einfachen Dingen des täglichen Lebens an, zum Beispiel bei dem Kühlschrank. Ich habe zwei Kühlschränke, aber bei Stromausfällen kann ich keinen der beiden in Betrieb nehmen", lamentiert die Hausfrau gegenüber der DW.
Bange Frage: Gibt es im Winter Strom?
Der Frust ist groß in der Bevölkerung und birgt Potential für soziale Unruhen, vor allem in der Wintersaison, in der der Stromverbrauch naturgemäß steigt. Die seit Jahren anhaltende Energiekrise ist ein wesentlicher Faktor, der das Wirtschaftswachstum beeinträchtigt. Betroffen ist nicht nur die Industrie, betroffen sind auch Fischerei, Land- und Forstwirtschaft. Südafrika steht am Rande einer Rezession und die Lebenshaltungskosten sind stark gestiegen.
Derweil häuft der staatliche Stromanbieter Eskom, der das Land fast allein mit Energie versorgt, immer mehr Schulden an und kämpft mit der Instandhaltung der maroden kohlebetriebenen Strominfrastruktur des Landes. Eskom, so die Befürchtung, wird in diesem Winter nicht in der Lage zu sein, den steigenden Strombedarf zu decken.
Für die Lehrerin Thelma Ramalepe ist das eine große Bedrohung: "Es wird uns gesagt, bereitet euch auf einen sehr kalten Winter vor. Wie wird das Leben sein? Es wird sehr schwierig. Die meisten Menschen sind arbeitslos. Sie können sich kein Gas leisten. Daher ist das Leben ohne Elektrizität einfach eine Katastrophe."
Der Gedanke an eine mögliche Stromabschaltung im Winter sei einfach erschreckend, so Thelma Ramalepe: "Es ist beängstigend zu hören, dass wir im Juni oder im Juli wochenlang ohne Strom dastehen könnten. Die Verantwortlichen müssen handeln."
Und Lindie Dlamini, die sich keinen Stromgenerator leisten kann, fügt hinzu: "Ich befürchte Schlimmes, wenn die Stromabschaltungen weiter zunehmen."
"Verantwortlich ist der Präsident"
Dass es nicht klappt, das Energieproblem in Südafrika in den Griff zu bekommen, liegt vor allem an einer Person, glaubt Lindie Dlamini: an Staatschef Cyril Ramaphosa. "Ich kann sagen, ich mache meinen Präsidenten verantwortlich. Jemand, der die Kontrolle hat, sollte etwas gegen solcherlei Missstände unternehmen. Wir stecken schon viel zu lange in dieser Krise."
Anfang dieses Jahres hatte Ramaphosa angekündigt, sein Kabinett umzubilden und zwei neue Ministerien zu schaffen, die das Energieproblem von der Wurzel auf anpacken sollten: ein Ministerium für Elektrizität, das sich ausschließlich um die verheerenden Stromausfälle kümmern sollte, sowie ein Ministerium mit spezifischer Verantwortung für Planung, Überwachung und Evaluierung.
Doch die Strategie des Präsidenten ging bislang nicht auf - und die Unmut der Bürger wächst. Lindie Dlamini fordert, dass die verantwortlichen Beamten ihren Posten räumen: "Die Regierung muss zurücktreten. Ich mache sie für die Probleme verantwortlich. Sie sind entweder müde oder unfähig. Sie sollten einfach gehen."
Sean Muller, Senior Research Fellow am Johannesburg Institute for Advanced Study, betont im Gespräch mit der DW, dass der Präsident viel zu lang untätig war: "Präsident Ramaphosa hatte vier bis fünf Jahre Zeit, um dieses Problem anzugehen. Meiner Meinung nach wurde er zu Beginn schlecht beraten. Ich denke, er wird wahrscheinlich immer noch schlecht beraten von Leuten, die ganz andere Interessen vertreten als die des Volkes." Die Südafrikaner seien zu Recht frustriert.
Südafrika erzeugt etwa 85 Prozent seiner Energie aus Kohle. Das Energieversorgungsunternehmen Eskom ist theoretisch in der Lage, in Spitzenzeiten bis zu 45.000 Megawattstunden zu erzeugen. Doch in der Praxis schaffe es Eskom nicht einmal, 27.000 MWh zu liefern. So kommt es zu Stromausfällen von mehreren Stunden am Tag.
Keine schnelle Lösung in Sicht
Wirklich funktionierende Lösungen für die Stromprobleme des Landes habe die Regierung nicht anzubieten, so Muller. Sie beschränke sich meist darauf, Generatoren für öffentliche Gebäude anzuschaffen und die Nutzung erneuerbarer Energiequellen zu planen. Die für den Energiesektor zuständigen Behörden hätten "den Blick für das öffentliche Interesse verloren", kritisiert der Wissenschaftler. "Es ist schon lange überfällig, neue Kraftwerke zu bauen und Energiequellen zu erschließen, einschließlich erneuerbarer Energien. Aber all die Projekte für erneuerbare Energien werden erst in einem, zwei oder vielleicht drei Jahren ins Netz gehen. Es stellt sich also die Frage, was in der Zwischenzeit passieren wird."
Korruption, Missmanagement, fehlendes Personal: Für die Stromkrise in Südafrika seien viele Faktoren und Personen verantwortlich, und diese seien auch in der Politik zu finden, sagt Muller. Als Ramaphosa vor fünf Jahren ins Amt kam, galt er als Reformer, der nach der skandalumwitterten Amtszeit seines Vorgängers Jacob Zuma einen "neuen Morgen" versprach. Doch die massiven Stromausfälle haben seinen Ruf und das Vertrauen beschädigt, das die Menschen in ihn und seine regierenden African National Congress (ANC) gesetzt haben, erklärt Muller. "Ich denke, nach fünf Jahren Amtszeit ist es ist nicht unfair zu behaupten, dass Präsident Ramaphosa und seine Berater die Menschen in diesem Land bei dieser Energiekrise wirklich im Stich gelassen haben."