Türkei: Deutsche Journalisten unter Druck
4. März 2019Maria Adebahr hält sich in Berlin am Mittag mit Kritik nicht zurück. Die Nicht-Akkreditierung von drei deutschen Journalisten in der Türkei, sagte die Sprecherin des Auswärtigen Amtes der DW, sei "nicht nachvollziehbar". Adebahr hält fest: "Wir haben unsere Position gegenüber der türkischen Seite sehr klar gemacht: Wir sind der Ansicht, dass die Pressefreiheit ein sehr, sehr hohes Gut ist und dass deutsche Journalisten und auch europäische Journalisten in der Türkei arbeiten können müssen. Und wir hoffen, dass die Pressekarten bald ausgestellt werden."
Wie und ob das tatsächlich geschehen kann, darauf hat in der deutschen Hauptstadt derzeit niemand eine Antwort. Denn: Die offizielle Haltung der türkischen Behörden lässt keinen Raum für Spekulationen. In einer knappen E-Mail, die der DW vorliegt, teilt die Informationsabteilung des türkischen Präsidialamts in Ankara mit: "Sehr geehrtes Mitglied der Presse. Einer Erneuerung ihrer Presseakkreditierung für das Jahr 2019 wurde nicht stattgegeben." Offiziell sind bislang davon drei deutsche Journalisten betroffen: Thomas Seibert, der unter anderem für den Berliner "Tagesspiegel" aus der Türkei berichtet, der Studioleiter des ZDF in Istanbul, Jörg Brase, und der NDR-Journalist Halil Gülbeyaz. Die Verweigerung der jährlich ausgestellten Pressekarte hat weitreichende Konsequenzen. Sie ist nicht nur gleichbedeutend mit einer Arbeitsgenehmigung, eine gültige Pressekarte garantiert in der Regel auch die Aufenthaltsgenehmigung eines Journalisten in der Türkei.
Vorfälle in der Vergangenheit
Es ist nicht das erste Mal, dass deutsche Journalisten in der Türkei in Schwierigkeiten geraten. 2016 verweigerte das Presseamt Hasnain Kazim, bis dahin "Spiegel"-Korrespondent in der Türkei, eine Verlängerung seiner Akkreditierung. Kazim verließ schließlich im März 2016 die Türkei. Im selben Jahr wurden dem ARD-Fernsehjournalisten Volker Schwenck und dem "Bild"-Fotoreporter Giorgos Moutafis die Einreise verwehrt. Beide waren lediglich auf der Durchreise. Für eine schwere diplomatische Krise sorgte der Umgang türkischer Behörden mit deutschen Journalisten 2017. Zum einen musste der "Welt"-Reporter Deniz Yücel ein Jahr lang ohne Anklageschrift in einem Istanbuler Gefängnis sitzen, bevor er im Februar 2018 nach Deutschland ausreisen durfte. Zum anderen war die Ulmerin Meşale Tolu im Frühjahr 2017 inhaftiert worden. Sie durfte im August 2018 ausreisen. Die Prozesse gegen die beiden Journalisten wegen Terrorvorwürfen gehen in der Türkei weiter.
Vernichtendes Urteil zur Pressefreiheit
Es sind Drangsalierungen wie diese, wegen denen das Auswärtige Amt, also das deutsche Außenministerium, 2018 ein vernichtendes Urteil zur Lage der Pressefreiheit in der Türkei fällt. Auf knapp 40 Seiten listen die Autoren in einem "Lagebericht" auf, dass Reporter für Kritik mit festgenommen würden und den "festgenommenen Journalisten Misshandlungen im Polizeigewahrsam" drohten. Hinzu komme, dass seit 2016 etwa 200 Medien per Notstandsdekret geschlossen worden seien. Als häufiger Grund werde angegeben: Die vermeintliche Nähe der Medienhäuser zur Bewegung um den islamischen Prediger Fethullah Gülen. Gülen, einst eng mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verbunden, wird heute von der türkischen Regierung als Drahtzieher des Putschversuches im Sommer 2016 bezeichnet. Seine Anhänger werden streng verfolgt.
Durch das Vorgehen der Behörden hätten insgesamt etwa 3000 Journalisten ihre Anstellung verloren und, "gebrandmarkt als Gülenisten oder PKK-Sympathisanten, keine Aussicht darauf, eine neue zu finden", heißt es beim Auswärtigen Amt. Zahlreiche Journalisten säßen zudem aufgrund von konstruierten Anschuldigungen in Haft. Mittlerweile seien etwa 90 Prozent der türkischen Medien personell oder finanziell mit der Regierungspartei AKP verbunden. Die restlichen Medien würden finanziell ausgehungert, beispielsweise indem Anzeigenkunden bedroht würden. Medien, die bislang eher regierungskritisch berichteten, würden sich deshalb immer häufiger selbst zensieren.
Kritik an Behörden auch aus der türkischen Regierungspartei
Für Christian Mihr sind die aktuellen Vorgängen daher kein Zufall. Der Journalist, Menschenrechtsaktivist und Experte für internationale Medienpolitik ist seit 2012 Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen (ROG) in Berlin, er sieht einen einen klaren Zusammenhang mit den politischen Ereignissen: "Dass Journalistinnen und Journalisten internationaler Medien offenbar die Akkreditierung verweigert wird, ist ein dreister Versuch, unabhängige Auslandsberichterstattung einzuschränken. Einen Monat vor den für die Türkei so wichtigen Kommunalwahlen kann das keine bürokratische Panne sein."
Auch innerhalb der türkischen Regierungspartei AKP gibt es inzwischen Kritik am aktuellen Vorgehen. Mustafa Yeneroğlu sitzt als Abgeordneter für die AKP im türkischen Parlament. Für die Verweigerung der Akkreditierungen, erklärte er, habe er kein Verständnis: "Ich kann die Entscheidung weder nachvollziehen noch gutheißen." Er sehe das Ansehen und folglich die Interessen der Türkei gefährdet, schrieb Yeneroğlu mit Blick auf den Wirtschaftsstandort Türkei. "Zudem können ausländische Journalisten in der Türkei frei arbeiten. Solche Entscheidungen konterkarieren das Bild unseres weltoffenen Landes."
Dass dieses Bild nicht nur in Deutschland ins Rutschen geraten ist, liegt auch daran, dass nicht nur deutsche Journalisten betroffen sind. Drei Monate nach Ablauf der alten Pressekarten zum Jahreswechsel warten derzeit rund 80 ausländische Journalisten auf ihre neue Akkreditierung. Auch hinsichtlich der Platzierung auf der Rangliste der Pressefreiheit von ROG wird das Verhalten der türkischen Behörden sicher nicht positiv zu Buche schlagen. Schon jetzt steht die Türkei weltweit auf Platz 157 von 180 Staaten.