Türkei modernisiert Abfallwirtschaft
29. März 2011Müllberge, wie sie sich auf den Straßen Neapels türmen, sucht man in der Türkei vergebens. Die kommunalen Müllwagen sind dort meist sehr modern, fahren regelmäßig durch die Straßen und transportieren ab, was die Türken in ihren Mülltonnen versenken. Am Rand der Städte und Gemeinden jedoch stinkt der Abfall auf vielen unkontrollierten Müllkippen zum Himmel. In einem Umwelt-Masterplan für die Jahre 2007 bis 2009 stellte das türkische Umweltministerium selbstkritisch fest: "In der Türkei gehört die unkontrollierte und unsichere Müllentsorgung zum Alltag." Das berge ein "großes Risiko" für die Umwelt und für die Gesundheit der Bevölkerung, weil die unkontrollierten Müllkippen oft nah an besiedelten Gebieten liegen.
Mehr moderne Deponien
Das Problem hat die türkische Regierung also längst erkannt - und seit mehreren Jahren arbeitet sie auch daran, dieses Risiko für Mensch und Umwelt zu reduzieren. Sie verordnete der Abfallwirtschaft des Landes zum Beispiel eine Reform, welche die Zahl kontrollierter Mülldeponien auf fast 3000 steigen ließ. Das entspricht in etwa der Zahl der Kommunen in der Türkei. Diese sind in der Regel für die Müllabfuhr zuständig. Anfang der 1990er-Jahre hatte es für die mehr als 70 Millionen Türken nur neunzig kontrollierte Deponien gegeben.
Anstoß von außen
Die Reform der Abfallwirtschaft ist zum Teil durch Druck von außen angestoßen worden - sowohl seitens der Europäischen Union, der die Türkei beitreten möchte, als auch seitens der UN. So schätzt das UN-Umweltprogramm UNEP, dass die weltweiten Müllberge für drei bis fünf Prozent des menschengemachten Treibhauseffekts verantwortlich sind. Zum Vergleich: Schiffs- und Flugverkehr tragen je rund drei Prozent zum Treibhauseffekt bei. Müllkippen sind deshalb so gefährlich für das Klima, weil dort das Treibhausgas Methan entsteht. Es ist 25 Mal schädlicher für das Klima als Kohlendioxid. UNEP fordert deshalb vor allem Schwellenländer wie die Türkei auf, auch mittels einer modernen Müllverwertung den Klimawandel zu bekämpfen.
EU-Depot-Richtline
Die EU-Kommission beschloss im Jahr 2005 eine ehrgeizige Deponie-Richtlinie, die eine deutliche Reduzierung von Treibhausgasen zum Ziel hat. Sie schreibt den EU-Mitgliedsländern vor, die deponierten Müllmengen bis zum Jahr 2016 um zwei Drittel zu senken. Als Bezugsjahr für die Reduzierungsquoten gilt das Jahr 1995 oder ein früheres Jahr, für das einheitliche Daten des Europäischen Amtes für Statistik vorliegen.
Mülltrennung
Noch ist die Türkei nicht soweit, um dieses Ziel zu erreichen. Für das Land ist es schon ein erster Erfolg, dass dort immer weniger Abfälle unsortiert und unkontrolliert auf Müllberge gekippt werden und stattdessen immer mehr Müll in kontrollierten Deponien landet. Das schafft nach Angaben des türkischen Statistikamtes zunehmend Spielraum für die Rückgewinnung von Wertstoffen. So geht aus den aktuellsten statistischen Daten (für das Jahr 2008) zur kontrollierten Deponierung hervor, dass rund 14 Prozent der dort ankommenden Abfälle nach Sortierung einer anderen Stelle zur Verwertung zugeführt werden. Dies betreffe vor allem Papier, Pappe, Kunststoffe, Gummi, Glas und Metall.
Vorbildlich: Denizli
Eine flächendeckende Verwertung oder Vernichtung der freigesetzten Methangase findet in der Türkei noch nicht statt. Aber auch auf diesem Feld machen immer mehr türkische Kommunen Fortschritte. Einige erhalten dabei Hilfe von der EU oder auch von der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), so zum Beispiel die Städte Adana (s. unser TV-Beitrag) im Südosten und Denizli im Südwesten des Landes. In der neuen Deponie in Denizli werden die entstehenden Methangase abgeschöpft und in einer Verbrennungsanlage unschädlich gemacht. Auf diese Weise werden nach Angaben der KfW durchschnittlich pro Jahr 150.000 Tonnen so genannter CO2-Äquivalente eingespart. Über die gesamte Lebensdauer seien das drei Millionen Tonnen. Das Projekt trägt damit nicht nur zum Schutz der Umwelt sondern auch des Klimas bei.
Neben den Bewohnern Denizlis profitieren auch 13 Umlandgemeinden mit zusammen etwa 120.000 Einwohnern von der neuen, geordneten Deponie. Fazit der KfW: "Denizli hat es geschafft, seinen Abfall in den Griff zu bekommen. Die Stadt ist sauberer und lebenswerter geworden. Ein Beispiel, das Vorbild für andere sein kann."
Autor: Martin Schrader
Redaktion: Ranty Islam