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Gericht kassiert Erdogans Justizreform

11. April 2014

Das türkische Verfassungsgericht hat Teile der Justizreform von Ministerpräsident Erdogan gekippt. Es erklärte den Passus für ungültig, der dem Justizminister die Kontrolle über Staatsanwälte und Richter einräumte.

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Das Gebäude des Verfassungsgerichts in Ankara (Foto: AFP)
Bild: Adem Altan/AFP/Getty Images

Zum zweiten Mal innerhalb von zehn Tagen hat das türkische Verfassungsgericht eine Entscheidung der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan als verfassungswidrig eingestuft. Die Richter verwarfen auf Antrag der Oppositionspartei CHP wichtige Teile der Justizreform. Erst vergangene Woche hatte das Gericht die von der islamisch-konservativen Regierung erlassene Zugangssperre zum Kurznachrichtendienst Twitter aufgehoben.

Justizminister Bekir Bozdag kritisierte die aktuelle Gerichtsentscheidung. Er warf den Verfassungsrichtern vor, sich in die Tagespolitik einzumischen. Bozdag betonte, er halte die Gesetzesänderung nach wie vor für verfassungskonform. Es spreche für sich, dass das Gericht das Urteil zur Justizreform trotz fehlender Dringlichkeit vorgezogen habe. Er hoffe, die Verfassungsrichter hielten sich in Zukunft von tagespolitischen Themen fern. Der Minister betonte zugleich, die Regierung werde das Urteil trotz aller Kritik umsetzen.

CHP fordert Rücktritt aller neu ernannten Richter und Staatsanwälte

Zustimmung zum Urteil kam erwartungsgemäß von der CHP. Die Oppositionspartei kritisierte erneut Staatspräsident Abdullah Gül, der die jetzt in Teilen gestoppte Reform trotz verfassungsrechtlicher Bedenken abgezeichnet hatte. Der Präsident habe die Interessen der Regierung über die der Demokratie gestellt, sagte der CHP-Politiker Atilla Kart. Seine Partei forderte, alle nach Inkrafttreten der Reform im Februar neu ernannten Richter und Staatsanwälte müssten zurücktreten. Justizminister Bozdag wies dies zurück.

Die Regierung von Erdogan hatte das nun in Teilen gekippte Gesetz über den Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte (HSYK) im Februar geändert, um den Einfluss des Justizministers auf das Aufsichtsgremium zu stärken.

Der Hohe Rat ist für die Disziplinarkontrolle sowie die Ernennung und Beförderung von Richtern und Staatsanwälten zuständig. Mit der Reform waren wesentliche Befugnisse vom HSYK auf den Justizminister übergegangen.

Kritiker: Reform sollte der Verschleierung dienen

Kritiker prangerten die Gesetzesänderung als Eingriff in die Gewaltenteilung an. Sie warfen Erdogan vor, er habe auf diesem Wege den Korruptionsskandal verschleiern wollen. Kurz zuvor waren Korruptionsvorwürfe sowohl gegen die Regierung als auch gegen Erdogan persönlich bekanntgeworden. Der Regierungschef entließ in der Folge Tausende Polizisten und Juristen.

In einer ebenfalls am Freitag bekanntgegebenen Entscheidung stornierte das Gericht auch die Vollmachten der Kommunikationsbehörde BTK bei der Sicherung und Geheimhaltung privater Daten.

kis/sti (afp, rtr, dpa)