Tatort Büro: Kunst am Arbeitsplatz
20. Januar 2018Rund 18 Millionen Menschen, mehr als 40 Prozent aller Erwerbstätigen, arbeiten in Deutschland in Büros, und die Tendenz ist, vor allem im IT-Bereich, steigend. Die meisten Angestellten verschönern sich ihren Arbeitsplatz auf ganz individuelle Weise. Ein Bild an der Wand, ein Foto der Familie, die Kaffeetasse mit dem Aufdruck "Der beste Papa, die beste Mama der Welt", ein Kalender mit außergewöhnlichen Fotografien.
Seinen Arbeitsplatz selbst als einen Ort der Kunst zu verstehen, kommt dabei wohl kaum jemandem in den Sinn. Und so stehen die Besucher der Ausstellung in der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen überrascht vor den Utensilien, die sie seit Jahren tagaus, tagein begleiten und die sie hier im ganz neuen Kontext wiederfinden.
Das Büro als Fundgrube
Neu ist die Idee der von der Konzeptkunst beeinflussten Bürokunst nicht: Schon in den 1960er Jahren experimentierte der Objektkünstler Peter Roehr mit industriell hergestellten Massenmaterialien. Er liebte Postaufkleber wie Schnellsendungen oder Einschreibe-Einlieferungszettel, Etiketten und Holzlineale und montierte Lochkarten seriell nebeneinander auf Karton. Dabei entwickelte er ein Ordnungsprinzip, das die Stereotypen der Massengesellschaft zum Ausdruck bringen sollte.
Mittlerweile entdecken immer mehr Künstler das Büro als Materialfundgrube. Unter ihnen auch Ignacio Uriarte, der lange Zeit als Angestellter in großen Konzernen arbeitete und nebenbei beim Telefonieren so einiges zusammenkritzelte. 2003 hing er seinen Job an den Nagel und verstand sich fortan als Bürokünstler - auch seine zwölfteilige Serie "Münchener Kritzeleien" ist in der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen zu sehen. Angefertigt wurde sie mit einem Kugelschreiber, wie er in Büros tausendfach zum Einsatz kommt.
Ebenso wie weitere alltägliche Büroutensilien, die im Zeitalter der Digitalisierung zu verschwinden drohen: Papier, Locher, Büroklammern, Ordner, Hängeregister… Die Künstler der Ausstellung widersetzen sich dem Vergessen.
Der Verwaltungsapparat als Unterdrückungsmechanismus
Sie zeigen das Büro aber auch als Hort der Ordnung und als Sinnbild für Regulierung, Verwaltung und Bürokratie, sogar für Herrschaft und Machtausübung. Immer wieder thematisieren sie, dass der behäbige Verwaltungsapparat sich trotz eines tiefgreifenden Strukturwandels kaum verändert oder gar verschlimmert hat. Anschaulich illustriert das die interaktive "Burnout machine" von Beate Engl.Über 100 Werke und Installationen der Konkreten- und Konzeptkunst von insgesamt 25 Künstlerinnen und Künstlern sind vom 20. Januar bis zum 8. April 2018 in der Schau "Out of office. Büro-Kunst oder das Büro im Museum" zu sehen. Dabei offenbart sich die ganze Spanne inzwischen fast schon verlorener Technologien und Materialien bis hin zur Abwesenheitsnotiz des Email-Zeitalters: "Out of Office".