Tattoo-Künstlerin mit 106

Zu Besuch bei Maria Oggay, auch bekannt als Apo Whang-Od. Die 106-Jährige ist seit April 2023 nicht nur das älteste Covergirl der "Vogue" aller Zeiten. Sie ist auch eine richtige "Mambabatok", eine Tätowiermeisterin. In ihrer Heimat hält sie die uralte Tätowierkunst der Kalinga-Ethnie am Leben. Dabei werden Tattoos nicht gestochen, sondern geklopft.

Wahre Schönheit kennt kein Alter. Dafür ist Whang-Od der beste Beweis. Ihr selbst ist der Hype um ihre Bilder jedoch eher unangenehm: "Ich freue mich, dass meine Fotos von vielen Menschen an verschiedenen Orten gesehen werden können", sagt sie. "Aber es ist mir auch etwas peinlich, wenn ich daran denke, dass sie sich ein so hässliches Gesicht ansehen!"

Berühmt war Apo Whang-Od allerdings schon vor dem "Vogue"-Cover. Im Jahr 2009 wurde sie vom Discovery Channel für die Serie "Tattoo Hunter" gefilmt. Mittlerweile gibt es zahlreiche Dokus über ihr Leben und ihre Kunst. Ihr Werkzeug besteht aus dem Dorn eines Zitronenbaums, an einem Bambusstock befestigt ist. Darüber wird die Farbe - ein Gemisch aus Holzkohle und Wasser - in die Haut geklopft.

Wer von Whang-Od tätowiert werden möchte, hat eine spannende Reise vor sich. Das Dorf Buscalan liegt auf einem Berg im Cordillera-Gebirge. Von der Hauptstadt Manila geht es zwölf Autostunden Richtung Norden. Irgendwann geht es mit dem Auto nicht mehr weiter, dann folgt noch ein einstündiger Fußmarsch. Am Ortseingang begrüßt ein Schild die Besucher: "Welcome! Whang-Od Buscalan Tattoo Village"

Belohnt werden die Besucher, die die lange Reise auf sich nehmen allerdings nicht nur mit einem besonderen Tattoo. Die Heimat von Whang-Od bietet auch einen atemberaubenden Ausblicken auf Reisterrassen und wild bewachsene Berge. Eine Erinnerung für die Ewigkeit.

"Ich bin stolz, jetzt das Zeichen von Whang-Od zu tragen“, sagt eine 45-jährige Besucherin, die mit sechs Freunden aus Kanada angereist ist und die drei Punkte, das "Signature-Tattoo“ von Whang-Od auf ihrem linken Handgelenk trägt. Viele Besucher haben Fotos, Ausweise und andere Erinnerungsstücke unter dem Strohdach der Hütte der Meisterin hinterlassen.

Mittlerweile gibt es einen richtigen Hype um die älteste Dame im Dorf. Sie ist zu einer richtigen Marke geworden, sodass ihr Konterfei sogar Souvenirs ziert. "Warum muss alles mit meinen Fotos bedruckt sein?", fragt sie lachend. Für das Dorf Buscalan ist ihre Bekanntheit allerdings zu einer lukrativen Einnahmequelle geworden.

Die Kunst des Tätowierens der Kalinga darf nur an Blutsverwandte weitergegeben werden. Apo Whang-Od galt lange als letzte Mambabatok der Kalinga und sie hat keine Kinder. Deshalb begann sie, ihre Großnichten Grace und Elyang auszubilden, um die Tradition am Leben zu erhalten. Beide seien mittlerweile selbst erfolgreiche Tätowiererinnen, sagt sie stolz.