Terror im Land des Propheten
1. Juni 2004Der Terrorangriff, bei dem es nach offiziellen Angaben insgesamt 22 Todesopfer gab, hatte am Samstag (29.05.2004) begonnen, als die Extremisten zunächst den Sitz einer arabischen Ölgesellschaft und dann die Wohnanlage in El Chobar überfallen hatten. Zu den Anschlägen bekannte sich das Terrornetzwerk El Kaida. Der Angriff habe sich gegen US-Erdölfirmen gerichtet, die muslimische Bodenschätze stehlen würden, hieß es in einer im Internet verbreiteten Erklärung.
Guerilla-Krieg im Königreich
Neu ist die Entwicklung nicht. In Saudi-Arabien sind seit dem vergangenen Jahr mehrfach auch Ausländer Opfer von Anschlägen islamistischer Terroristen geworden. Erst eine Woche vor dem Anschlag in der Erdölregion El Chobar im Osten des Landes war in der Hauptstadt Riad ein deutscher Geschäftsmann erschossen worden.
Politische Beobachter weisen darauf hin, dass Anhänger der El Kaida-Organisation Osama bin Ladens mittlerweile eine Art Guerilla-Krieg in dem Königreich führen. Dabei setzten sie auch Selbstmordattentäter ein. Erst vor wenigen Tagen kursierten auf islamistischen Internet-Seiten Listen mit Aktionen, die radikale Moslems gegen die saudische Königsfamilie unternehmen sollen.
Drohende Folgen für die Weltwirtschaft
Jetzt wird das von den Terroristen verhasste Königshaus an den empfindlichsten Stellen angegriffen: die saudische Ölindustrie und hoch qualifizierte Gastarbeiter. Eine Entwicklung, die nicht nur aus sicherheitspolitischen Überlegungen bedenklich ist. Immerhin ist Saudi-Arabien der größte Ölproduzent der Welt und das Land mit den größten Ölreserven. Ein gezielter Angriff könnte verheerende Folgen für die Weltwirtschaft haben.
Der demokratische US-Präsidentschaftsbewerber John Kerry warf Präsident George W. Bush diese Woche vor, nicht entschlossen genug gegen das Terrornetzwerk El Kaida und dessen Geldgeber vorgegangen zu sein. Ausdrücklich nannte Kerry in diesem Zusammenhang auch Saudi-Arabien, das nicht genügend gegen den Terrorismus unternehme.
Stabile Diktaturen bevorzugt?
Viele Araber nehmen es den USA tatsächlich übel, dass sie aus strategischen Interessen die autoritären Regierungen stützen - zum Beispiel Saudi-Arabien, wo sich die herrschende Dynastie ihr Parlament selber ernennt. "Dem Westen sind stabile Diktaturen in der arabischen Welt lieber als instabile Demokratien", kritisiert der palästinensische Publizist Said Aburish.
Ganz schuldlos sind die Saudis an der Entwicklung nicht. Ihre Interpretation des Korans gehört zu den Hauptgründen für die zunehmende Unduldsamkeit im Stammland des Islams. Ihre Imame und Lehrer predigen Intoleranz - nicht nur gegen den Westen, sondern gegen alle anderen Gläubigen, auch gegen anderen Muslimen. Jetzt sieht es danach aus, dass der Geist der Unduldsamkeit die saudische Flasche definitiv verlassen hat.