Anschlag in Indien
19. Februar 2007Bei einem Bombenanschlag auf einen Schnellzug nördlich von Neu-Delhi sind am Montag (19.2.07) 65 Menschen getötet und 30 verletzt worden. Viele der Opfer sind Pakistaner, die Verwandte in Indien besucht hatten. Unter den Toten sind auch Kinder. Das Innenministerium in Neu-Delhi sprach von einem Angriff mit dem Ziel, "den Friedensprozess zwischen Indien und Pakistan zu stören". Auch Indiens Eisenbahnminister Lalu Prasad machte für den Anschlag Kräfte verantwortlich, die den Dialog zwischen beiden Staaten verhindern wollten.
Möglicherweise gibt es einen Zusammenhang mit dem Besuch des pakistanischen Außenministers Khursheed Kasuri in Indien, der für Dienstag geplant ist. Kasuri betonte nach dem Attentat, die Reise nach Neu Delhi auf jeden Fall anzutreten. Bei einem Gespräch mit seinem indischen Amtskollegen Pranab Mukherjee soll es dort am Mittwoch unter anderem um den Friedensprozess gehen.
"Friedenszug" eine von zwei Verbindungen nach Pakistan
Zwei Waggons des Expresszuges brannten aus, nachdem dort gegen Mitternacht Sprengsätze detoniert waren. Zu den Explosionen kam es nahe des indischen Ortes Panipat rund 100 Kilometer nördlich von Neu Delhi. Der auch "Friedenszug" genannte Express ist eine von nur zwei Bahnverbindungen zwischen den verfeindeten Atommächten Indien und Pakistan. Die Eisenbahnlinie war 1976 neu eröffnet, nach dem Anschlag auf das indische Parlament 2001 aber wieder gesperrt worden. Der Verkehr auf der Strecke wurde 2004 wieder aufgenommen.
Der Expresszug fährt von Neu-Delhi in die Grenzstation Atari. Dort können die Fahrgäste in einen pakistanischen Zug umsteigen, der sie bis nach Lahore bringt. Auf dem indischen Abschnitt der Strecke bleiben Fenster des Zuges aus Sicherheitsgründen geschlossen. Außerdem sind die Wagenfenster mit Querstangen blockiert. Vermutlich war den Fahrgästen in den brennenden Wagen deswegen der Fluchtweg versperrt.
Zwei weitere Bomben entschärft
Nach dem Anschlag wurden zwei weitere Bomben entschärft. Nach Angaben eines Polizeisprechers wurden Polizei und paramilitärische Truppen auf die fünf Bahnhöfe Neu Delhis, auf weitere Bahnhöfe in Nordindien sowie in Nahverkehrszüge der Hauptstadt entsandt, um weitere Anschläge zu verhindern.
Die Regierungen Pakistans und Indiens sowie die EU und die USA verurteilten die Tat, zu der sich zunächst niemand bekannte. Der pakistanische Präsident Pervez Musharraf sagte, solche Anschläge würden die Entschlossenheit nur stärken, Frieden zwischen Indien und Pakistan zu erreichen. Seine Regierung kündigte eine Entschädigung von 500.000 Rupien (rund 6350 Euro) für die Angehörigen der Opfer an. Indiens Ministerpräsident Manmohan Singh versprach, die Schuldigen würden gefasst werden. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft rief Indien und Pakistan dazu auf, sich weiterer Gewalt entgegenzustellen und den Weg des Dialogs zu verfolgen.
Mögliche Verbindungen zu Anschlägen von Bombay
Der private Fernsehsender New Delhi Television zitierte Geheimdienstquellen, wonach der mutmaßliche Anschlag mit denen auf Nahverkehrszüge in Bombay im Juli 2006 im Zusammenhang stehen könnte. Damals waren 186 Menschen ums Leben gekommen. Indien hatte dem pakistanischen Geheimdienst vorgeworfen, hinter dem Anschlag zu stecken. Neu Delhi brach deshalb die Friedensgespräche ab, die aber im November wieder aufgenommen wurden.
Bei einem Zugbrand im Unionsstaat Gujarat kamen vor fünf Jahren 60 Hindu-Pilger ums Leben. Bei anschließenden Unruhen wurden mehr als 1000 Menschen getötet, die meisten von ihnen Muslime. Etwa 84 Prozent der mehr als eine Milliarde Inder sind Hindus, die Muslime stellen einen Bevölkerungsanteil von etwa 14 Prozent.
Religiöse Konflikte gibt es in Indien regelmäßig. Ein jahrzehntelanger Brandherd ist die Region Kaschmir, wo im indischen Teil der Region mehr als zwölf Untergrundgruppen für die Unabhängigkeit oder den Anschluss an Pakistan kämpfen. Indien wirft Pakistan vor, in der Region islamistische Extremisten zu unterstützen. Seit ihrer Unabhängigkeit von britischer Kolonialherrschaft 1947 haben Indien und Pakistan drei Kriege gegeneinander geführt, zwei davon um Kaschmir. (tos)