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Terrorwarnung in Bengasi

Rayna Breuer25. Januar 2013

Seit dem Geiseldrama in Algerien herrscht in Nordafrika erhöhte Alarmbereitschaft. Politiker rufen nun ihre Staatsbürger dazu auf, die Stadt Bengasi zu verlassen. Droht jetzt eine Ausbreitung des Terrors in der Region?

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Ein libyscher Polizist sichert eine Straße (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: A.Doma/AFP/Getty Images

Die Ereignisse im nördlichen Afrika überschlagen sich: Der Krieg in Mali und die militärische Intervention Frankreichs, wenige Tage später die Geiselnahme in Algerien in einer Gasförderanlage, nun scheint sich die Sicherheitslage in Libyen zu verschärfen. Mehrere westliche Regierungen haben ihre Staatsbürger zum Verlassen der Hafenstadt Bengasi aufgerufen.

Die Lage sei "ernsthaft und delikat", sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) bei seinem Besuch in Lissabon am Donnerstag (24.01.2013). Hintergrund der Warnung seien "ernstzunehmende Hinweise über eine besondere Gefährdungslage auch für deutsche Staatsbürger in der Stadt und Region Bengasi", so ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Eine Verbindung zu den Vorgängen in Mali sei aber nicht bekannt, so der Sprecher. Zu den Hintergründen für die dringende Aufforderung will sich keine westliche Regierung äußern. Ist ihre Reaktion voreilig und übertrieben, oder ist mit einer Ausbreitung der Terroraktivitäten in der gesamte Region zu rechnen?

Die aktuelle Warnung - eine Kurzschlussreaktion?

In Bengasi, der zweitgrößten Stadt Libyens, gab es im September vergangenen Jahres einen Terroranschlag, der US-Botschafter Christopher Stevens und drei weitere Diplomaten kamen damals ums Leben. Die jetzige Warnung mit der dringenden Aufforderung erscheine äußerst ungewöhnlich, sagt Hardy Ostry, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tunesien, der auch für Algerien und Libyen zuständig ist: "Klar ist, dass der Norden Libyens nach wie vor unsicher ist, aber wir haben hier vor Ort keine konkreten Anzeichen, dass es eine eminente Bedrohung gibt." Man solle die Situation in der Region natürlich kritisch betrachten, sich jedoch nicht voreilig einschüchtern lassen. Die Entscheidung der westlichen Regierungen habe aus Sicht vieler Libyer einen Imageschaden für das Land zur Folge - zu einer Zeit, in der man gerade dabei sei, für Normalität zu sorgen.

Dr. Hardy Ostry, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tunesien/Algerien/Libyen (Foto: KAS)
Hardy Ostry, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in TunesienBild: Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

Für den Duisburger Politikwissenschaftler Jochen Hippler haben die westlichen Politiker mit diesem Schritt dagegen richtig auf die aktuellen Ereignisse reagiert: "Wer aus dem Geiseldrama in Algerien nicht den Schluss gezogen hat, dass man in der Region sicherheitspolitisch vorsichtig sein muss, hat seinen Job nicht richtig gemacht", glaubt der Experte.

Terroristische Gruppen auf dem Vormarsch?

Seit Jahren verstecken sich terroristische Gruppen in den menschenleeren Wüstenlandschaften im Grenzgebiet zwischen Mali und Algerien. Ihr Geld verdienen sie mit Zigaretten- und Drogenschmuggel, sowie mit organisierten Entführungen: "Das sind eher mafiaähnliche Organisationen, die bis vor kurzem keine strategische Bedrohung für westliche Ziele waren", sagt Hippler. Im Zuge des Luftkrieges in Libyen und nach dem Sturz Gaddafis bekamen diese Gruppen jedoch Aufwind: "Fakt ist, dass der Krieg in Libyen zur Eskalation in Mali beigetragen hat, weil viele schwerbewaffnete Tuareg-Kämpfer nach Mali zurückgekehrt sind", sagt Annette Lohmann, Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Mali. "Den Rebellen, egal ob sie sich auf die Scharia, also auf das islamische Recht, oder auf einen autonomen Norden berufen, geht es um die Kontrolle über das wirtschaftlich sehr lukrative Gebiet."

Das US-Konsulatsgebäude in Bengasi nach dem Anschlag im September 2012 (Foto:dpad)
Das US-Konsulatsgebäude in Bengasi nach dem AnschlagBild: AP

Sie nutzen vor allem die Schwächen der Länder nach der Revolution, um ihr Einflussgebiet auszuweiten: "Alle Staaten in der Region haben ein eminentes Sicherheitsproblem. Algerien und Libyen zum Beispiel, sprich all diese Länder, die sich in einer Transformationsphase befinden", sagt Hardy Ostry von der Konrad-Adenauer-Stiftung. Das hänge damit zusammen, dass die Sicherheitskräfte neu ausgebildet werden müssten, um das Gewaltmonopol des Staates neu aufzubauen. Diese Schwächen würden terroristische Gruppen derzeit ausnutzen, um Unruhe in der Region zu stiften, so der Experte.

Gefahr vor einer Ausbreitung?

"Eine Regionalisierung des Problems gibt es seit langem - dschihadistische Gruppen agieren länderübergreifend und kommen jetzt mehr zum Vorschein", sagt Jochen Hippler. Von einem direkten, kausalen Zusammenhang zwischen der Intervention in Mali, dem Geiseldrama in Algerien und der Aufforderung, Bengasi zu verlassen, geht auch Hardy Ostry von der Adenauer-Stiftung nicht aus: "Unsere Kontaktpersonen in Algerien glauben, dass der Anschlag von langer Hand geplant war und die Intervention in Mali nur als Rechtfertigung galt. Dieser hat nur wenige Tage nach der Intervention stattgefunden, so schnell kann man eine solche Operation nicht organisieren." Dafür spreche auch die Tatsache, dass Mokhtar Belmokhtar, der sich zu dem Anschlag bekannt hat, schon im vergangenen Jahr Terrorangriffe angekündigt hätte. "Es könnte sein, dass er sich lediglich wieder zeigen wollte", so Ostry.

Französischer Militärpanzer auf dem Weg nach Markala (Mali) (Foto: Reuters)
Französische Militärpanzer auf dem Weg nach Markala in MaliBild: Reuters

Die Gefahr weiterer terroristischer Anschläge in der Region bestehe, sagt Annette Lohmann. "Der Konflikt in Mali war nie ein rein malisches Problem, sondern ein regionales. Das Terrornetzwerk 'Al-Kaida im Islamischen Maghreb' hat es geschafft, sich in der Region auszubreiten." Es habe immer im Dreieck Niger, Südalgerien, Nordmali operiert. Besonders gefährdet sei aktuell auch Niger. "Das Land hatte von Anfang an im vergangenen Jahr große Sorgen davor, dass der Konflikt überschwappen könnte", sagt Lohmann.