Teure Verkehrspolitik
17. Februar 2004Die LKW-Maut wird auf Jahre hinaus nicht kommen. Verkehrsminister Manfred Stolpe brach am Dienstagmorgen (17.2.2004) in Berlin die Verhandlungen mit dem Betreiber Toll Collect ab und übergab den Managern die Kündigungsanzeige der Verträge. Darin machte er sie für 6,5 Milliarden Euro Einnahmeausfälle verantwortlich. Als Ersatz will Stolpe die Euro-Vignette wieder einführen, aber auch ein Mautsystem neu ausschreiben. Bundeskanzler Gerhard Schröder wies den Unternehmen die Schuld zu und nahm Stolpe ausdrücklich in Schutz.
Einseitige Risikoverteilung
Schröder und Stolpe bedauerten, dass das Konsortium und die dahinter stehenden Unternehmen DaimlerChrysler, Telekom und Cofiroute trotz wiederholter Zusagen nicht in der Lage gewesen seien, die technischen Voraussetzungen zu schaffen und in einem engeren Zeitraum ein funktionierendes System vorzulegen. Schröder sagte, erst recht nicht akzeptabel sei es, dass Toll Collect vor dem Hintergrund nicht erfüllter Verpflichtungen eine so einseitige Risikoverteilung zu Lasten des Bundes vorgeschlagen habe. Noch einmal zu verhandeln habe nur Sinn, wenn ein substanzielles Angebot vorgelegt werde, das eindeutig anders sei als das jetzige, betonte Schröder. An personelle Konsequenzen denke er nicht: "Ich fände es absolut unfair, irgendeine Schuld bei Minister Stolpe zu suchen", erklärte Schröder am Dienstag in Berlin.
Die deutsche Maut von 12,4 Cent pro Kilometer sollte zum 31. August 2003 kommen, wurde aber bislang wegen schwerster Mängel im System nicht erhoben. Zuletzt wurde Anfang 2005 als Starttermin für eine abgespeckte Variante und 2006 für die Vollversion des satellitengestützten Erfassungssystems genannt. Zum 31. August 2003 war die Euro-Vignette abgeschafft worden. Sie kann nach Stolpes Worten frühestens in sechs, wahrscheinlich in etwa neun Monaten wieder Einnahmen bringen. Wird sie in derselben Höhe wie früher erhoben, sind das 40 Millionen Euro pro Monat. Die Maut hätte schätzungsweise 156 Millionen Euro gebracht.
Zwei Monate Zeit
Bis ein neues System installiert ist, vergehen nach Stolpes Worten zwei bis drei Jahre. Er sicherte zu, alles zu tun, neben der Vignette auch andere Lösungen zu ermöglichen. Die Ausfälle will Stolpe Toll Collect in Rechnung stellen. Dazu kommen noch Vertragsstrafen. Ob der Bund sich durchsetzt, soll das in den Mautverträgen vorgesehene Schiedsgericht entscheiden.
Toll Collect hat nun zwei Monate Zeit, den Forderungen nachzukommen. Stolpe machte kein Hehl daraus, dass er keine großen Erwartungen hege. Die Unternehmensseite habe bis zuletzt keine Bereitschaft gezeigt, sich zu bewegen. Sie wollten die Gesamthaftung im Fall eines neuerlichen Versagens der Technik nicht übernehmen, sondern lediglich im Verlauf mehrerer Jahre mehr als die bislang zugesicherten 500 Millionen Euro jährlich bieten. Die Ausfälle belaufen sich aber auf mehr als zwei Milliarden Euro pro Jahr. Ferner habe sich Toll Collect eine "Abseilregelung", also ein Kündigungsrecht ohne Grund, vorbehalten wollen.
Gespräche über Toll-Collect-Nachfolger
Toll Collect bedauerte das Scheitern der Verhandlungen. Im Verlauf der Gespräche hätten sich beide Seiten "deutlich aufeinander zubewegt", sagte ein Telekom-Sprecher im Namen des Konsortiums in Bonn. Der Schweizer Systemanbieter Fela rechnet sich nun Chancen auf einen Vertrag aus. Sprecher Peter Kirchmeier sagte, es sei "nicht auszuschließen, dass in den kommenden Tagen Gespräche mit dem Toll-Collect-Konsortium stattfinden."
Brüssel sieht nach dem deutschen Maut-Debakel keine Notwendigkeit zum Eingreifen. Die Kündigung der Verträge mit dem Betreiberkonsortium Toll Collect bedeute "keine ungleiche Behandlung" für ausländische LKW-Fahrer, sagte ein Sprecher von EU-Verkehrskommissarin Loyola de Palacio am Dienstag in Brüssel. Den Deutschen stehe es nun frei, die alte Euro-Vignette wieder einzuführen oder sich für ein neues Mautsystem zu entscheiden. "Die Deutschen können machen, was sie wollen, solange es mit der EU-Gesetzgebung übereinstimmt", betonte er. (kap)