Thailands Militär sucht Partner im Parlament
10. Mai 2019Der kaum kaschierte Plan der Militärregierung, sich in demokratischem Gewand die Macht zu sichern, rückt der Verwirklichung langsam aber sicher näher. Ihr politisches Vehikel, die "Palang Pracharat”-Partei, liegt zwar mit 115 Sitzen hinter der oppositionellen "Pheu Thai”, welche mehrere Wahlen vor dem Militärputsch 2014 gewonnen hat. Sie kommt auf 136 Abgeordnete.
Dennoch dürfte das Pro-Militärlager keine Schwierigkeiten haben, auch die nächste Regierung unter dem alten und neuen Premier und Ex-General Prayut (Artikelbild) zu bilden. Dafür braucht die "Palang Pracharat”-Partei nur weitere elf Verbündete unter den Abgeordneten, was ihr nach Ansicht von Beobachtern unschwer gelingen dürfte. Damit käme die Armee auf 126 verbündete Abgeordnete.
Thailändische Machtarithmetik
Warum ist gerade diese Zahl entscheidend? Das liegt an der Rolle des Senats, der von den Militärs ernannt wird und aus 250 Mitgliedern besteht. Zusammen mit den 500 gewählten Abgeordneten macht das 750 Politiker, die über die nächste Regierung entscheiden, also mit einer Mehrheit von mindestens 376 Senatoren bzw. Abgeordneten. Zieht man von den 376 die 250 Senatoren ab, die quasi automatisch dem Kandidaten des Militärs zufallen, bleiben 126 gewählte Abgeordnete, die das Militär braucht, um "demokratisch" legitimiert weiterzuregieren.
Zwar bestand nie die realistische Aussicht, dass die oppositionellen Parteien gemeinsam 376 gewählte Abgeordnete stellen würden, um dem Militär die Bildung der neuen Regierung streitig zu machen. Aber sie durften sich berechtigte Hoffnungen machen, wenigstens im Abgeordnetenhaus auf eine Mehrheit von mindestens 251 Sitzen zu kommen. Mit dieser Mehrheit hätte die Opposition die Möglichkeit, Gesetzesvorlagen der Regierung zu stoppen oder zu ändern. Jetzt sieht es so aus, dass sie nur auf 245 Sitze kommt und das Militär praktisch ohne parlamentarisches Korrektiv an der Macht bleibt.
Neues System zur Vergabe der Parlamentssitze
Zu diesem Ergebnis hat unter anderem eine umstrittene Änderung des Systems der Stimmenverteilung beigetragen, die erst am Mittwoch gerichtlich bestätigt wurde. Dazu muss man wissen: Von den 500 Parlamentssitzen werden 350 in Direktwahl vergeben, die restlichen 150 gemäß dem landesweiten Stimmenanteil der Parteien. Noch vor den Wahlen im März galt die Regelung: Wenn eine Partei gemäß ihrem landesweiten Ergebnis weniger Sitze erhält, als sie direkt errungen hat, fallen diese Listensitze unter den Tisch. Im Falle der Pheu Thai waren das 111 Listensitze, die aber wegen ihrer 136 direkt gewonnen Mandate nicht zählen. Das Neue und Perfide aus Sicht der Opposition ist, dass ein Teil dieser Listenmandate jetzt nach einer neuen Formel der Wahlkommission kleineren Parteien zugeteilt werden, die sonst überhaupt keinen Sitz errungen hätten.
Als Folge wird es ein Parlament mit 27 Parteien geben, rund ein Dutzend davon mit einem einzigen Sitz. Gewiss kein Garant für politische Stabilität. Und doch ist die Zerfaserung der politischen Landschaft im Interesse des Militärs. Erstens schrumpft dadurch die oppositionelle Allianz auf 245 Sitze und verhindert deren angestrebte Mehrheit. Zweitens werden die kleinen Parteien laut Beobachtern wohl einer Koalition unter der Führung der PPP beitreten.
Stabiler Militär-Block noch nicht gesichert
Doch reicht das noch nicht für eine stabile Mehrheit der Junta. Zünglein an der Waage wird die opportunistische "Demokraten”-Partei mit 52 Sitzen spielen. Bei den Wahlen hatte die älteste Partei Thailands zwar sehr schlecht abgeschnitten. Innerhalb der Parteileitung toben seit der Wahlschlappe Fraktionskämpfe, wodurch Prognosen über ihre Haltung schwierig sind, wie der der deutsche Thailand-Experte Michael H. Nelson sagt: "Momentan ist schwer abzusehen, wie die Entscheidung ausgeht. Etliche Jahre in der Opposition zu verbringen, ist ja auch kein Vergnügen. Und nun, da es keine Aussicht auf eine schlagkräftige Opposition mehr gibt, könnten die Demokraten vielleicht sagen, 'Was soll's: Es ist besser an den Fleischtöpfen teilzuhaben als auf den Oppositionsbänken zu hungern.'"
Bis zum 10. Mai wird der 250köpfige Senat bestückt und am 22. Mai soll das Parlament laut dem offiziellen Fahrplan endgültig feststehen. Die Opposition will allerdings mit allen juristischen Mitteln gegen die Änderungen an der Berechnung der Sitze vorgehen.