Tuchel - erfolgreich, aber schwierig
12. April 2018Fast ein Jahr ist vergangen, seit Thomas Tuchel als Chefcoach von Borussia Dortmund entlassen wurde. Nun soll der 44-Jährige kurz vor der Rückkehr auf die Trainerbank sein - bei einem der reichsten Vereine Europas. Tuchel, der bei seiner ersten Trainerstation in der Bundesliga den FSV Mainz trainierte, hat sich vor allem in seinen zwei Jahren bei Borussia Dortmund europaweit einen Namen gemacht. Vizemeister in der ersten Saison, DFB-Pokalsieg in der zweiten. Angesichts der Zersplitterung der Dortmunder Mannschaft nach dem Abschied Jürgen Klopps eine eindrucksvolle Bilanz. Tuchels Taktik war darauf ausgerichtet, einen möglichst aufregenden und unterhaltsamen Spielstil zu kreieren. An ihren besten Tagen rechtfertigte seine Mannschaft alle Vergleiche mit Pep Guardiola.
Tuchel hat ein Talent für die Spielerentwicklung. Ousmane Dembele kam als großes Talent aus der französischen Provinz und verließ den Klub als einer der begehrtesten Spieler Europas. Christian Pulisic durfte erstmals unter Tuchel mehr Verantwortung übernehmen. Und dann ist da noch Julian Weigl, der unter Tuchel zum Schlüsselspieler wurde, aber seit dem Ausscheiden des Trainers in der Versenkung verschwunden ist.
Streit an vielen Fronten
Tuchel musste nach dem Sieg im DFB-Pokalfinale gehen. Der sportliche Erfolg gab keinen Anlass zu Kritik, dafür aber Tuchels Verhalten und seine Methoden. Die älteren Spieler um Kapitän Marcel Schmelzer kritisierten den entlassenen Trainer zuletzt in der Öffentlichkeit. Schmelzer wurde besonders deutlich nachdem Tuchel im Pokalfinale auf Nuri Sahin verzichtet hatte und sagte: "Wir stehen komplett hinter Nuri." Tuchel zerstritt sich zudem mit seinem damaligen Chefscout Sven Mislintat, der mittlerweile für den FC Arsenal arbeitet. Am Ende soll Tuchel kein Wort mehr mit seinem wichtigsten Kaderplaner geredet haben, und Mislintat wurde 15 Monate lang vom Trainingsplatz verbannt.
Auch mit BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke lag Tuchel am Ende über Kreuz, weil es nach dem Bombenanschlag auf die Mannschaft im vergangenen April grundlegend unterschiedliche Ansichten gab, wie dieser Schicksalsschlag zu verarbeiten sei. Letztlich sprachen beide Alphatiere nicht mehr miteinander, sondern nur noch in der Öffentlichkeit übereinander.
Tuchel will die Kontrolle
Was spricht nun dafür, dass es mit Tuchel bei PSG klappen kann? Eigentlich nicht viel, es sei denn, er bekommt dort mehr Kompetenzen und Freiheiten als es normalerweise beim Scheich-Klub aus der französischen Hauptstadt der Fall ist. Tuchel ist ein akribischer Trainer, der am liebsten in jede kleinste Entscheidung, die den sportlichen Bereich betrifft, eingebunden sein möchte. So entstand der heftige Streit mit Mislintat hauptsächlich deswegen, weil der Scout den jungen Spanier Oliver Torres unbedingt verpflichten wollte, Tuchel aber sein Veto einlegte und der Deal letztlich platzte.
Bei PSG verpflichtet Vereinspräsident Nasser Al-Khelaifi die Spieler, nicht der Trainer. Der Coach muss lediglich sehen, wie er mit dem - oftmals hochklassigen und meist sehr teuren - Spielermaterial zurechtkommt, das seine Chefs ihm zur Verfügung stellen. Ex-PSG-Trainer Carlo Ancelotti, vor Tuchel ebenfalls erneut ein Kandidat in Paris, soll laut "kicker" diesmal weitreichendes Mitspracherecht bei Neuzugängen gefordert haben und bekam den Job deswegen nicht. Ob Tuchel unter diesen Bedingungen dauerhaft glücklich wird?
Kein Trainer für verwöhnte Stars
Auch gilt Tuchel nicht als ein Trainer, der für divenhaftes Verhalten und Starallüren seiner Spieler besonders viel übrig hat. Tuchel ist ein Taktiknerd im Stile Pep Guardiolas. Jeder Spieler muss zu jedem Zeitpunkt auf dem Platz genau das machen, was der Trainer an taktischen Maßgaben angesagt und gefordert hat. Wer sich nicht daran hält oder nicht mitarbeitet, sitzt schnell draußen. Ob das alle Stars, die bei PSG ein sehr gut bezahltes und recht sorgenfreies Leben führen, so leicht akzeptieren, ist fraglich. Stürmer Edinson Cavani soll, so ist zu hören, bereits mit einem Wechsel liebäugeln, falls Tuchel verpflichtet würde.
Und was passiert, wenn sich beispielsweise 222-Millionen-Mann Neymar bei Al Khelaifi beschwert, der Trainer lasse ihn nicht ausreichend lange spielen oder fordere zu viel Defensivarbeit von ihm? Wird der Präsident sich dann auf die Seite des Trainers stellen oder zu seinem Star halten?
Die Verpflichtung Tuchels wäre für den Klub heikel. Zwar könnte Tuchel, der ein brillanter Trainer ist, PSG endlich den ersehnten Titel in der Champions League bringen. Doch nur, wenn man sich in Paris voll und ganz auf den Coach einlässt und alles, was er möglicherweise an negativen Eigenschaften mitbringt, akzeptiert und aushält, kann er den größtmöglichen Erfolg haben. Tut man das nicht, könnte die Zeit Tuchels bei PSG noch schneller vorbei sein, als die beim BVB.