Thomson freut sich auf Guantanamo-Häftlinge
17. Dezember 2009Thomson in Illinois ist nicht gerade der Ort, an dem Schlagzeilen gemacht werden. 550 Menschen leben dort und die meisten bauen Melonen an. Deswegen nennt sich die Kleinstadt rund 240 Kilometer westlich von Chicago auch selbst "Welthauptstadt der Melonen". Sonst war in Thomson bislang nichts los: Viele Menschen sind arbeitslos, junge Leute ziehen weg. Eine "sterbende Stadt", so wurde Thomson genannt. Bislang…
Willkommene Geldquelle
Denn als klar wurde, dass US-Präsident Barack Obama entschieden hatte, die meisten aller noch verbleibenden Häftlinge aus dem Gefängnislager Guantanamo nach Thomson in Illinois zu verlegen, brach in der Stadt Freudentaumel aus. Nicht, weil man Terroristen so liebt. Aber weil nichts eine bessere Einkommensquelle sein könnte für dieses Dorf "in the middle of no-where". Die Häftlinge sind hier vor allem eines: Wirtschaftsfaktor Nummer eins.
Die geplante Verlegung der Guantanamo-Gefangenen in ihren Heimatort sei "eine ganz wunderbare Sache", erklärte Julie Hansen, die Präsidentin der Handelskammer von Thomson, freudestrahlend. "Etwas Besseres hätte uns nicht passieren können."
Neue Arbeitsplätze
Bis zu 3000 neue Stellen erhoffen sich die Bewohner von dem neuen Gefängnis. Und das müsste nicht mal neu geschaffen werden: Vor acht Jahren wurde in Thomson bereits für 120 Millionen Dollar ein Hochsicherheitsgefängnis gebaut, das sogenannte "Thomson Correctional Center". 1600 Zellen gibt es dort, hinter meterdicken Mauern und Stacheldraht. Doch bislang galt das Gefängnis als Fehlplanung, denn aus Geldmangel wurde es faktisch kaum genutzt.
Jetzt will die US-Bundesregierung das Gefängnis übernehmen, neue Wärter werden eingestellt - und die müssen schließlich auch irgendwo wohnen: In der Umgebung sollen Häuser, Hotels, Supermärkte und Tankstellen entstehen. Insgesamt erhofft sich die Gemeinde Investitionen von bis zu einer Milliarde Dollar. Und dafür nimmt man knapp 100 Top-Terroristen gern in Kauf.
Keine Angst
Während in Washington D.C. die republikanischen Abgeordneten auf die Barrikaden gehen und vor der unverantwortlichen Terrorgefahr warnen, sehen die Thomsoner das Gefahrenpotenzial ihrer neuen Nachbarn gelassen: "Angst haben die Leute hier nicht wirklich", sagt der Journalist einer Lokalzeitung. "Die Leute interessieren sich nur für die wirtschaftlichen Auswirkungen."
Autorin: Anna Kuhn-Osius (dpa, ap, afp)
Redaktion: Oliver Pieper