Visualizing Palestine
3. Juni 2014Es sind nicht immer nur die Geheimdienste und die großen Internet-Player, die sich über das Datensammeln Informationen über die Menschheit verschaffen. Viele andere tun es auch. Zum Beispiel stößt das tägliche Leben der palästinensischen Bevölkerung bei vielen Organisationen auf großes Interesse: Menschenrechtsgruppen, NGOs, die Israelis natürlich und auch palästinensische Organisationen. Als der junge Bauingenieur Ramzi Jaber herausfand, in welchem Umfang und wie akribisch Informationen über seine Landsleute gesammelt wurden, war er nach eigenen Worten ziemlich geschockt. Zufällig darauf gestoßen, fragte er sich sofort: "Wenn ich schon nichts darüber weiß, wie sollen andere es wissen?"
So kam er auf die Idee, dass man diese Daten den Menschen, die sie ja betreffen, zugänglich machen könnte. Indem man die Daten Geschichten erzählen lässt. Das funktioniert mit der sogenannten Datenvisualisierung - hier werden Daten in Bilder umgewandelt, die bestimmte Verhältnisse viel deutlicher machen, als es eine Reihe von Zahlen jemals könnte.
"Man erinnert sich nicht an Zahlen und Statistiken, an Geschichten schon", sagt Ramzi Jaber im DW-Gespräch. "Und so haben wir die Visualisierungen geschaffen, damit die Leute sie benutzen können, um etwas zu bewerkstelligen."
"Wir" - das sind Jaber und der Architekt Joumana al Jabri. 2012 haben die beiden die Gruppe "Visualizing Impact" gegründet und gemeinsam die Webseite "Visualizing Palestine" entwickelt.
Anfangs sei es viel Herumprobiererei gewesen, bei dem ziemlich viel schiefgegangen sei, erzählt Jaber. Doch in den vergangenen zwei Jahren wuchs ein Team heran, das aus Forschern, Designern, Datenarchitekten und Entwicklern bestand. Das Projekt "Visualizing Palestine" hat schließlich mehr als zwei Dutzend Infografiken entwickelt, die sich mit verschiedenen Themen befassen: von der Wasserversorgung bis zum Arbeitsmarkt, vom Stand der Nahost-Friedensgespräche bis hin zu Schule und Bildung.
Fakten ohne Emotionen
Was die Gruppe zusammengetragen hat, war so beeindruckend, dass die internationale Bobs-Jury beschlossen hat, dem Projekt einen der DW-Awards für Online-Aktivismus zu verleihen. In der Kategorie: Best Social Activism.
"Das Thema Palästina ist immer mit Emotionen verbunden und polarisiert sehr stark", sagt Bobs-Jurymitglied Georgia Popplewell von "Global Voices Online". Diese Webseite aber bringe reine Fakten ohne Emotionen.
Die Arbeit von "Visualizing Palestine" ist bereits in vielen großen internationalen Medien vorgestellt worden. Die Infografiken sind unter der Creative Commons-Lizenz veröffentlicht worden, sie dürfen also auch von anderen Medien verbreitet werden. Auch in den Sozialen Medien sind sie oft geteilt worden und haben sich so verbreitet.
Alle Datenquellen für die Grafiken werden genannt. So gründen sich alle Erkenntnisse von "Visualizing Palestine" auf Fakten, die nicht widerlegbar sind, was Jaber besonders stolz macht: "Bisher ist noch niemand angekommen und hat gesagt: 'Dies hier stimmt nicht, oder das ist aus dem Zusammenhang gerissen'. Oder dass einer gemeint hat, da gäbe es eine andere Quelle, die beweist, dass wir unsere Arbeit nicht richtig gemacht haben.' " Jaber fügt hinzu, dass sich das Team immer bemüht, sicherzugehen, dass die Geschichten wirklich stimmen."
Themen gibt es überall
Die Macher der Seite sitzen in der libanesischen Hauptstadt Beirut und in Amman in Jordanien. Das Projekt finanziert sich durch Spenden, Zuschüsse und Aufträge von Unternehmen und NGOs. Mit so großem Erfolg, dass man bald auch expandieren könne, wie Jaber meint.
"Die Leute beginnen zu fragen, ob es denn bald auch ein 'Visualizing Egypt' gibt, oder sie wollen wissen, warum wir denn noch kein 'Visualizing Syria' gebaut haben. Oder warum es kein Visualizing zum Thema Frauen gibt", erklärt Jaber. Inzwischen gebe es tatsächlich Pläne, das Projekt im nächsten Jahr auf Ägypten und Syrien zu erweitern.
Abgesehen von den Ländern, auf denen in Zukunft der Fokus von "Visualizing Palestine" liegen wird, ist Jaber sich sicher, dass es weltweit so viele Themen gibt, dass den Mitarbeitern des Projektes die Arbeit nicht ausgehen wird. "Es gibt einen großen Bedarf an Datenvisualisierung im sozialen Bereich", sagt Jaber. "Wir werden diese Themen weltweit sammeln und beleuchten. Das haben wir uns selbst als Aufgabe gesetzt."