Tiger ohne Zähne?
21. Mai 2014Auf gerade mal vier Quadratmetern hat sie ihre Waren gestapelt. Ninja Santiago ist Unternehmerin. Sie betreibt einen sogenannten Sari - Sari Shop etwa zwei Autostunden von der philippinischen Hauptstadt Manila entfernt. Die Mittdreißigerin ist stolz auf ihren Laden, der in der Nähe einer stark befahrenen Landstraße liegt. Eigentlich ist es ein kleiner dunkler Verschlag. Der Boden aus Lehm, ein paar alte Holzregale mit Dosen und Nudelsuppen. Die Kasse ist ein Plastiktablett. Aber mit diesem Laden ernährt die Frau ihre Familie und unterstützt den kranken Vater.
"Angefangen habe ich nur mit einem Tablett, da habe ich eine paar Waren raufgepackt und die verkauft, direkt hier vor dem Haus", erzählt sie und zeigt auf eine dunkle Ecke. Ihre Anfangsinvestition belief sich auf umgerechnet rund 40 US-Dollar für die Waren.
Shampoo in Tüten
Fast 1 Million dieser winzigen Läden gibt es auf den Philippinen und sie halten die Versorgung der Bevölkerung aufrecht. Sie bieten Dinge des täglichen Bedarfs, auch in sehr kleinen Portionen. Denn die Kunden sind meist arme Filipinos. Die kaufen dann das Shampoo nicht in einer Flasche, sondern in einem kleinen Beutel. "Das sind Sachets", erläutert Santiago und zeigt auf die Plastiktüten, die an einer Art Leine aufgehängt sind. Jede Tüte enthält Shampoo, ausreichend für einmal Kopf waschen.
Die großen Supermarktketten sind bisher zögerlich mit der Expansion in die ländlichen Regionen der Philippinen. Noch ist die Infrastruktur nicht ausreichend und auch die Kaufkraft begrenzt. Doch das kann sich schnell ändern. Laut einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens IHS wird das Pro-Kopf-Einkommen von 2800 US Dollar in 2014 auf 5800 US-Dollar in 2024 steigen, denn die die philippinische Wirtschaft gehört zu den schnell wachsenden Volkswirtschaften Südostasiens. Experten rechnen für 2014 mit einem Wachstum von weit über fünf Prozent, auch für die nächsten Jahre sind die Aussichten gut.
Das Wachstum erreicht nicht alle
Doch dieses Wachstum ist sehr einseitig, denn die Armut im Lande konnte bisher kaum reduziert werden. 28 Prozent der Bevölkerung gelten als arm, 10 Millionen Menschen sind arbeitslos oder haben allenfalls Gelegenheitsjobs. Die Bevölkerungszahl liegt bei rund 100 Millionen und wächst Jahr für Jahr um weitere zwei Millionen Menschen.
Bam Aquino, ist seit letztem Jahr Senator auf den Philippinen. Er kommt aus einer der großen Politikerfamilien des Landes. Die Deutsche Welle empfängt er an seinem Amtssitz in Manila. Der 37-jährige ist der jüngste unter den 24 Senatoren und sorgt für ordentlichen Wirbel. Er will erreichen, dass die Regierung Sozialunternehmen unterstützt. Aquino hat vor seinem politischen Amt selber ein Sozialunternehmen gegründet und es sechs Jahre aufgebaut. Aquino wollte mit dem Unternehmen soziale Veränderungen anstoßen.
Kampf gegen die Armut
"Hier auf den Philippinen haben wir doch schon so viel versucht und ich sage immer, alte Lösungen für alte Probleme funktionieren nicht. Denn deshalb haben wir die Probleme ja noch, weil die Lösungsversuche bisher nicht funktioniert haben. Deshalb brauchen wir neue Lösungsvorschläge, um die Probleme anzugehen. Dazu gehören Sozialunternehmen, ein Versorgungskette, die alle erreicht und Unternehmen, die alle einschließen."
Hapinoy heißt das Unternehmen, übersetzt der glückliche Filipino. Aquino hat es nach der Wahl zum Senator an seinen Partner übergeben. 30.000 Sari-Sari Shops gehören dazu. Bam Aquino und Mark Ruiz gründeten Hapinoy vor sieben Jahren, um den kleinen Ladenbesitzern zu helfen. Sie trainieren sie in Produktauswahl, machen Marketingschulungen und erklären Buchführung. Die Besitzer können Kleinkredite bekommen. So sollen die Sari-Sari Shops überleben können, denn sie sichern vielen Familien ein Einkommen. 30.000 Kleinstläden gehören heute zu Hapinoy. Die Gewinne werden wieder investiert und an eine gemeinnützige Stiftung abgegeben. Es geht nicht um Profit, sondern um Einkommenssicherung für die Armen. Das ist das Konzept des Sozialunternehmens.
Wachstum für alle
"Unser Ziel ist es, dass das Wachstum alle einschließt", betont Aquino und spricht nun nicht mehr als Unternehmer, sondern als Politiker. "Wenn das Wachstum nicht alle einschließt, profitieren davon nur wenige und das ist nicht akzeptabel für die Filipinos."
Auch Ninja Santiago gehört mit ihrem Laden zu Hapinoy. Mehrere Schulungen hat sie hinter sich und erfahren, wo sie bessere Produkte bekommt. Unlängst kaufte sie sogar einen großen Kühlschrank. Jetzt verkauft sie eisgekühlte Softdrinks. Im heißen philippinischen Sommer werden die besonders nachgefragt. Santiagos Einkommen hat sich in den letzten Jahren verdreifacht. Es sind jetzt umgerechnet über 200 Euro im Monat. Von dem Geld kann sie nun auch die Arztbesuche ihres Vaters bezahlen. Deshalb gilt sie in der Nachbarschaft schon als Vorzeigeunternehmerin.