Sharmahds Hinrichtung: Irans Botschaftsleiter einbestellt
29. Oktober 2024Das Auswärtige Amt hat den Leiter der iranischen Botschaft in Berlin einbestellt, um gegen die Hinrichtung des Deutsch-Iraners Djamshid Sharmahd zu protestieren. "Wir haben unseren scharfen Protest gegen das Vorgehen des iranischen Regimes übermittelt & behalten uns weitere Maßnahmen vor", teilte das Ministerium auf der Plattform X mit.
Da zurzeit kein iranischer Botschafter in Berlin akkreditiert ist, führt dem Auswärtigen Amt zufolge ein Geschäftsträger vorübergehend die Geschäfte der Botschaft in Berlin. Der bisherige Botschafter war im Juli abberufen wurden, ein Nachfolger wurde noch nicht entsandt.
Im Gegenzug bestellte Teheran seinerseits umgehend den deutschen Botschafter ein. Der Schritt sei wegen der Einmischung "einiger deutscher Regierungsvertreter" in die Rechtsprechung der Islamischen Republik Iran erfolgt, erklärte das Außenministerium in Teheran.
"Ein deutscher Pass bietet niemandem Straffreiheit"
Der iranische Außenminister Abbas Araghtschi hat Deutschlands Kritik an der Hinrichtung Sharmahds mit scharfen Worten und Vorhaltungen zurückgewiesen. "Kein Terrorist genießt im Iran Straffreiheit. Auch nicht, wenn er von Deutschland unterstützt wird", erklärte Araghtschi im Online-Dienst X. Den Iran für Sharmahds Hinrichtung zu verurteilen, verdrehe die Tatsachen.
Araghtschi warf Sharmahd vor, bei einem Anschlag auf eine Moschee 14 Menschen getötet zu haben. "Hören Sie auf, Kindermörder und Terroristen zu unterstützen und verstecken Sie sich nicht hinter heuchlerischen Menschenrechtsparolen", schrieb der iranische Außenminister an Baerbock gerichtet.
Bunderegierung verurteilt Hinrichtung
Zuvor hatten schon Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock die Hinrichtung des Doppelstaatsbürgers im Iran"auf das Schärfste" verurteilt. Scholz nannte die Tötung bei X einen Skandal. Die Bundesregierung habe sich immer wieder intensiv für die Freilassung des Deutsch-Iraners eingesetzt.
Baerbock teilte mit, die Hinrichtung Sharmahds "zeigt erneut, was für ein menschenverachtendes Regime in Teheran herrscht". Teheran sei immer wieder unmissverständlich klargemacht worden, "dass die Hinrichtung eines deutschen Staatsangehörigen schwerwiegende Folgen haben wird".
"Wir wollen keine Beileidsbekundungen"
Die Tochter des Hingerichteten, Gazelle Sharmahd, hat Antworten von der Bundesregierung zum Schicksal ihres Vaters gefordert. Dieser sei nach seiner Entführung vor vier Jahren im Stich gelassen worden, schrieb sie auf der Online-Plattform X. "Wir wollen keine Erklärungen oder Beileidsbekundungen", betonte Sharmahd. Stattdessen solle das Auswärtige Amt Beweise für den Tod ihres Vaters vorlegen und eine Rückführung seiner sterblichen Überreste veranlassen.
Die iranische Justiz hatte am Montagabend die Hinrichtung des 68-Jährigen verkündet. Er war im Frühjahr 2023 nach Terrorvorwürfen zum Tod verurteilt worden. Sharmahds Angehörige hatten die Vorwürfe stets vehement zurückgewiesen. Der in Hannover aufgewachsene Software-Ingenieur galt als Kritiker des iranischen Regimes. Immer wieder prangerte er in den vergangenen Jahren Menschenrechtsverletzungen in der Islamischen Republik an. 2020 soll er bei einer Geschäftsreise nach Dubai von iranischen Agenten entführt worden sein.
Konsequenzen gefordert
Oppositionschef Friedrich Merz forderte die Bundesregierung auf, den iranischen Botschafter aus Deutschland auszuweisen. "Die Herabstufung der diplomatischen Beziehungen auf die Geschäftsträgerebene ist angezeigt", schrieb Merz bei X. Er sprach von einem "scheußlichen Verbrechen". Der Chef der Unionsfraktion im Bundestag hatte die politische Patenschaft für Sharmahd übernommen.
Die Europäische Union hat Teheran Konsequenzen angedroht. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schrieb im Onlinedienst X, es würden Maßnahmen als Reaktion auf die Exekution des EU-Bürgers Sharmahd geprüft.
Borrell erklärte weiter, die EU sei unter allen Umständen gegen die Todesstrafe. Sie sei ein "Verstoß gegen das Recht auf Leben und die ultimative Verweigerung menschlicher Würde". Borrell drückte den Angehörigen Sharmahds sein Beileid aus. Er stehe in Kontakt mit der Bundesregierung, betonte der Spanier.
Bereits im vergangenen Jahr hatte Deutschland nach Verkündung des Urteils zwei iranische Diplomaten ausgewiesen. Die Teheraner Regierung zwang im Gegenzug zwei deutsche Diplomaten zur Ausreise. Die Bundesregierung hatte in der Vergangenheit die Aufhebung des Urteils gegen Sharmahd gefordert. Irans Justiz verweigerte jedoch bis zuletzt konsularischen Zugang.
Kritiker bezeichneten den Prozess gegen Sharmahd als grob unfair. Er durfte keinen eigenen Anwalt wählen, und sein Aufenthaltsort blieb bis zuletzt unbekannt. Geständnisse, die im Staatsfernsehen ausgestrahlt wurden, könnten unter Folter erzwungen worden sein.
ch/sti/kle (dpa, rtr, kna, afp)
(Redaktionsschluss: 18.00 Uhr MEZ. Dieser Artikel wird nicht mehr aktualiisiert.)