Tote bei Angriff auf Regierungsgegner
7. Dezember 2019Bei einem bewaffneten Überfall auf ein zentrales Protestlager regierungskritischer Demonstranten in Bagdad sind nach Angaben des Innenministeriums vier Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden. Augenzeugen berichten gar von mindestens 16 Toten und 100 Verletzten. Der genaue Tathergang und wer die Angreifer waren, ist bisher nicht bekannt.
Zeugen berichteten, bewaffnete Männer auf Pick-ups hätten nach Einbruch der Dunkelheit ein Gebäude nahe der Al-Sinek-Brücke angegriffen, in dem regierungskritische Soldaten seit Wochen ausharren. Danach sei Panik ausgebrochen. Menschen seien unter Beschuss in die umliegenden Gassen geflohen. Eine Ärztin in einem nahegelegenen provisorischen Krankenhaus sagte, sie habe mindestens fünf Patienten mit Stichwunden behandelt.
Protestcamp in Flammen
Am Donnerstag waren Tausende Anhänger der schiitischen Hasched-al-Schaabi-Milizen auf den Tahrir-Platz in Bagdad geströmt, wo Regierungsgegner ein Protestcamp errichtet haben. Viele der Demonstranten reagierten beunruhigt auf den Aufmarsch der Männer. Nach einer Phase der Ruhe brach an diesem Freitag das Chaos aus. Das Staatsfernsehen berichtete, die Proteststätte sei von Unbekannten in Brand gesteckt worden.
Der irakischen Menschenrechtskommission zufolge wurden seit Beginn der Proteste im Oktober mehr als 460 Menschen getötet und mindestens 20.000 verletzt. Wegen der blutigen Niederschlagung der Proteste verhängten die USA derweil Sanktionen gegen drei Anführer der Hasched-al-Schaabi-Milizen, die eng mit dem Iran verbunden sind.
Die Regierungsgegner demonstrieren gegen Misswirtschaft und Korruption wie auch gegen den Einfluss des benachbarten Irans. Premierminister Adel Abdel Mahdi hatte unter dem Druck der Straße seinen Rücktritt erklärt. Seitdem laufen in Bagdad Gespräche über die Bildung einer neuen Regierung. Daran ist auch der iranische General Ghassem Soleiman beteiligt.
Großajatollah mahnt
Der oberste schiitische Geistliche im Irak, Großajatollah Ali al-Sistani, mahnte unterdessen, ein Nachfolger für Ministerpräsident Adel Abdul Mahdi müsse ohne Einflussnahme aus dem Ausland bestimmt werden. Sistani hat die Tötung unbewaffneter Demonstranten mehrfach verurteilt. Er lehnt eine ausländische Einflussnahme im Irak ebenso ab wie das iranische Staatsmodell, in dem
hochrangige Geistliche direkt in die Führung des Staates eingebunden sind, und hat sich bisher nur in Krisenzeiten in die Politik im Irak eingeschaltet.
jj/mak/kle (dpa, afp, rtr)