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Tote bei Protesten gegen Verfassungsreform

Katrin Matthaei20. Oktober 2015

Kurz vor dem geplanten Verfassungsreferendum spitzt sich die Lage in Kongo-Brazzaville zu: Die Opposition will eine weitere Amtszeit von Präsident Nguesso verhindern. Bei Zusammenstößen gab es Tote und Verletzte.

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Denis Sassou Nguesso Kongo Afrika Präsident (Foto: picture-alliance/dpa/A. Ammar)
Bild: picture-alliance/dpa/A. Ammar

Brennende Reifen in den Straßen, dicke Rauchschwaden am Himmel, verletzte Demonstranten in Krankenhäusern und mindestens vier Tote: Kongo, der kleine westliche Nachbarstaat der Demokratischen Republik Kongo, ist drauf und dran in eine blutige Staatskrise zu schlittern. Der Grund: Die Regierung will die Verfassung ändern und damit Präsident Denis Sassou Nguesso eine dritte oder sogar vierte Amtszeit ermöglichen. Gegen diese Pläne protestierten Regierungsgegner in der Hauptstadt Brazzaville und in der Wirtschaftsmetropole Pointe-Noire. Dabei kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften.

Nguesso regiert das Land seit insgesamt 31 Jahren, davon 13 unter der neuen Verfassung. Diese legt fest, dass der Präsident nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf. Nguesso darf sich im kommenden Jahr also nicht mehr zur Wahl stellen. Die für den 25. Oktober von der Regierung anberaumte Volksabstimmung soll das ändern. Die Internationale Menschenrechtsliga (FIDH) bezeichnet das Referendum als "Staatsstreich gegen die Verfassung" und fordert Präsident Nguesso auf, die Abstimmung abzusagen.

Opposition ruft zu Widerstand gegen Regierung auf

Das fordert auch die Opposition: Sie will das Referendum verhindern. "Der Präsident bricht seinen Eid und begeht Verrat", sagt Clément Mierassa, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Kongos (PSDC) im Gespräch mit der DW. "Insofern werden wir dafür sorgen, dass dieses Referendum nicht stattfindet." Ob das auch Gewalt einschließt, sagt er nicht.

Seine Partei gehört dem Oppositionsbündnis FROCAD an, der Republikanischen Front für den Respekt vor der Verfassung und dem demokratischen Wechsel. Für das Bündnis haben sich rund fünf Oppositionsparteien zusammengeschlossen.

Die Republik Kongo
Bild: DW

Das zweite Oppositionsbündnis, die Initiative für Demokratie im Kongo (IDC), besteht größtenteils aus ehemaligen, zum Teil frustrierten Mitgliedern von Präsident Nguessos Regierungspartei. Nicolas Kossaloba gehört dem IDC an. Er glaubt nicht, dass Nguesso das Referendum absagen wird. "Aber wir werden bis zur letzten Minute versuchen, ihn mit der Stimme der Vernunft zu überzeugen", so Kossaloba.

Die beiden Oppositionsbündnisse hatten gemeinsam mit Organisationen der Zivilgesellschaft zu einer Demonstration am Dienstag (20.10.2015) in Brazzaville aufgerufen, an der Tausende teilnahmen. Trotz eines kurzfristig von der Regierung verhängten Versammlungsverbots fanden sich bereits morgens Jugendliche in den Stadtteilen Bacongo und Makélélé zusammen und zündeten Autoreifen an. Die Viertel liegen im Süden der Stadt und gelten als Hochburg der Opposition. Ein Großaufgebot der Polizei trieb die Jugendlichen mit Tränengas auseinander. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, vier Menschen seien bei den Zusammenstößen getötet worden, als die Polizei mit scharfer Munition direkt auf Demonstranten geschossen habe. Das bestätigte auch die Regierung. Zehn weitere Menschen, darunter auch drei Sicherheitskräfte, sollen bei gewaltsamen Zusammenstößen verletzt worden sein, sagte Innenminister Raymond Mboulou im Staatsfernsehen.

Gleichzeitig kappte die Regierung am Morgen das mobile Internet, auch Textnachrichten konnten nicht mehr verschickt werden. Der französische Auslandssender Radio France Internationale (RFI) wurde ebenfalls abgeschaltet.

Unruhen im ganzen Land

"Brazzaville ist wie ausgestorben", berichtet Trésor Chardon Nzilakendet von der Organisation Kongolesische Beobachtungsstelle für Menschenrechte im Gespräch mit der DW. "Die Lage ist extrem angespannt." Das gelte auch außerhalb der Hauptstadt: In der südlich gelegenen Wirtschaftsmetropole Pointe-Noire im Süden des Landes - eine weitere Oppositionshochburg - gebe es ebenfalls Unruhen. Die Straßen seien verbarrikadiert, so Nzilakendet.

In Pointe-Noire war es bereits am Sonntag bei Demonstrationen zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen. Diese nahm mehrere Anführer der Opposition in Gewahrsam und ließ sie erst Stunden später wieder frei.

"In vielen Städten des Landes sind Gebäude in Brand gesetzt worden, in der südkongolesischen Stadt Nkayi gab es sechs Tote", sagt Romain Bedel Soussa. Der Kongolese lebt in Paris und hat die zivilgesellschaftliche Organisation Komitee für Widerstand und Aktion im Kongo (CRAC) gegründet, das dem FROCAD nahesteht.

"Nguesso darf nicht bis ans Lebensende an der Macht bleiben"

Auch in vielen Vierteln der Hauptstadt hätten Polizeistationen gebrannt, sagt Bedel Soussa. Wenn Präsident Nguesso das Referendum nicht zurückzöge, werde er das Land in eine Sackgasse führen. "Sie schießen, sie haben das Internet gekappt, sie haben das Fernsehen abgeschaltet - ganz einfach deshalb, weil sie jetzt dabei sind, die Drecksarbeit zu machen. Sie töten die Kongolesen. Die Menschen wollen dieses Referendum nicht, sie wollen nicht, dass Nguesso bis an sein Lebensende an der Macht bleibt", so Bedel Soussa.

Die zivilgesellschaftlichen Gruppen haben zu zivilem Ungehorsam aufgerufen. "Wir werden uns einmischen und das in einem vollständig rechtmäßigen Rahmen", sagt Menschenrechtler Nzilakendet.

Der Regierung dürfte das nicht gefallen. Dem Kongo stehen unruhige Zeiten bevor.