Tote und viele Verletzte bei Protesten im Irak
2. Oktober 2019Mindestens neun Menschen sind seit Beginn der Proteste am Dienstag getötet worden. Zudem sollen allein in der Hauptstadt Bagdad mehr als 200 Menschen schwer verletzt worden sein, darunter 40 Polizisten.
Mit scharfer Munition gegen Demonstranten
In Bagdad sollen die Sicherheitskräfte bereits am Dienstag scharfe Munition und Tränengas eingesetzt haben, um die Proteste aufzulösen. Dabei starb ein Demonstrant, ein weiterer erlag am Mittwoch seinen Verletzungen. In Nassirija 300 Kilometer südlich der Hauptstadt gab es am Dienstag ebenfalls einen Toten. Am Mittwoch seien zwei Demonstranten getötet worden, gab ein ranghoher Behördenvertreter bekannt. Die zwei Demonstranten in Nassirija hätten tödliche Schusswunden erlitten, teilte der Leiter der Gesundheitsbehörde der Provinz Dhi Kar, Abdulhussein al-Dschaberi, mit. Zudem gebe es 14 Verletzte, darunter elf Sicherheitskräfte.
Auch in anderen Provinzen des Landes gingen am Mittwoch erneut Tausende auf die Straße, um gegen Korruption, fehlende Arbeitsplätze und politisches Missmanagement zu demonstrieren, wie Augenzeugen und irakische Medien berichteten. Nach den schweren Unruhen vom Vortag war der Tahrir-Platz in Bagdads Zentrum am Mittwoch von den Sicherheitskräften abgeriegelt, doch versammelten sich erneut Demonstranten am Rand.
In der Hauptstadt versuchte die Polizei zudem nach eigenen Angaben mit scharfer Munition und Tränengas Demonstranten davon abzuhalten, auf das Gelände des Flughafens vorzudringen. In mehreren Städten, darunter Bagdad, wurde anschließend eine nächtliche Ausgangssperre verhängt.
Ministerpräsident Mahdi verteidigt Vorgehen der Sicherheitskräfte
Präsident Barham Saleh verurteilte die Gewalt und forderte zu "Zurückhaltung und zur Einhaltung des Gesetzes" auf. "Friedlicher Protest ist ein Verfassungsrecht, das den Bürgern gewährt wird", betonte Saleh. Auch der Menschenrechtsausschuss des Parlaments kritisierte die "Unterdrückung" der Proteste. Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi lobte dagegen die Sicherheitskräfte und machte für die Gewalt nicht näher bezeichnete "Angreifer" verantwortlich, die "gezielt Opfer verursacht" hätten. In Online-Netzwerken stießen diese Äußerungen auf Kritik.
Der Nationale Sicherheitsrat traf sich zu einer Dringlichkeitssitzung. Der nationalistische Prediger Moktada al-Sadr forderte eine "faire Untersuchung" der Gewalt auf dem Tahrir-Platz. Die Vereinten Nationen und die US-Botschaft in Bagdad zeigten sich angesichts der Gewalt besorgt und riefen zur Zurückhaltung auf. Jeder habe das Recht, frei zu sprechen, erklärte die UN-Gesandte im Irak, Jeanine Hennis-Plasschaert.
Großer Frust in der Bevölkerung
Im Irak herrscht in der Bevölkerung unter anderem wegen der schlechten Infrastruktur und Arbeitslosigkeit großer Frust. Laut der Weltbank liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 25 Prozent. Obwohl das Land zu den größten Ölproduzenten der Welt zählt, leidet es unter einem Energiemangel. Teilweise gibt es nur vier Stunden Strom am Tag. Zudem sind viele Gebiete nach dem Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) noch immer zerstört.
ww/kle (afp, dpa)