Transnistrien: Verloren in der Republik Moldau
1991 zerbrach die Sowjetunion: 15 neue souveräne Staaten entstanden. Transnistrien, eine russischsprachige Region in der Republik Moldau, gehört nicht dazu. Fotograf Anton Polyakov erzählt die Geschichte seiner Heimat.
Menschenpyramide für die Souveränität
Eigentlich ist in Transnistrien alles vorhanden: Regierung, Armee, Flagge, Nationalhymne und sogar eigene Pässe. Doch die sind nur in drei Ländern gültig. Denn für fast alle anderen Länder gilt, dass die selbsternannte Republik kein souveräner Staat ist, sondern eine Region Moldawiens, wie der Staat früher hieß. Seit über 25 Jahren bemüht sich Transnistrien um Unabhängigkeit - bislang vergeblich.
Wohin geht die Reise?
Alexander Veryovkin, einst ein berühmter sowjetischer Fußballspieler, sitzt in einem Bus in Tiraspol. Der Bus trägt die Nummer 19, benannt nach dem 19. Juni - der Tag, an dem der Konflikt zwischen Moldawien und Transnistrien begann. "Für viele ist Transnistrien ein neues Land ohne Vergangenheit, andere sehen es dagegen als Fortsetzung der Sowjetunion", sagt Fotograf Anton Polyakov.
Erinnern an alte Siege
Das ist keine historische Aufnahme, sondern höchst aktuell: "Die Menschen sind immer noch sentimental, wenn es um die sowjetischen Zeiten geht", so Polyakov. Der 9. Mai, der "Sieges-Tag" des Krieges zwischen der Sowjetunion und Nazi-Deutschland, wird in der ganzen Region in authentischer Soldatenkleidung nachgespielt.
Wer ist der Kräftigste im ganzen Land?
Ein Teilnehmer der Bodybuilding-Meisterschaft in Tiraspol zeigt, was er hat: Der Muskelsport ist im ganzen Land beliebt. Doch auch jenseits der Fitness-Studios lässt das kleine Land seine Muskeln spielen. Militärtraining ist Bestandteil der Schul-Lehrpläne, Militär-Paraden werden jährlich abgehalten. Laut der OSZE besitzt die Region rund 20.000 bis 40.000 Tonnen Waffen aus der Sowjet-Ära.
Putin auf der Brust
Noch immer ist das russische Militär in Transnistrien präsent, trotz anders lautender Vereinbarungen. "Die Menschen hier sehen Russland als wichtigsten Garanten für die Sicherheit in der Region. Sie wollen Russlands Anerkennung", sagt Polyakov. Die meisten Menschen stimmten 2006 in einem Referendum für die Unabhängigkeit von Moldawien und eine potenzielle zukünftige Integration in Russland.
Es lief schlecht und läuft noch schlechter
Mit einer Einwohnerzahl von etwa 475.000 und einer Fläche von 4163 Quadratkilometern ist Transnistrien eines der kleinsten Länder Europas. Sein Bruttoinlandsprodukt ist vergleichbar mit Nigeria. Die Wirtschaft wird von der Schwerindustrie, der Stromerzeugung und der Textilindustrie angetrieben. Doch der Ukraine-Konflikt bringt die Region in die Nähe des wirtschaftlichen Zusammenbruchs.
Chancenlos auf dem Land
Während es in den Städten immerhin Jobs gibt - wenn auch mit einem durchschnittlichen Monatsgehalt von 180 Euro schlecht bezahlt - ist das Leben auf dem Land noch perspektivloser. "Es gibt keine Chancen und keine Infrastruktur", sagt Polyakov. Junge Menschen verlassen deshalb sobald sie können die Dörfer und gehen in die Städte oder nach Russland.
Abhängig von Goliath
Die Zukunft von Transnistrien hängt von Russland ab, das die Region als strategisch bedeutsam betrachtet. Moskau will "das Format der bestehenden Friedenstruppe in Transnistrien" erhalten, das heißt: Russische Soldaten sollen da bleiben. "Deshalb ist Transnistrien noch kein unabhängiger politischer Akteur. Es macht mein Heim zu einer Geisel der politischen Situation", sagt Polyakov.
Der Fotograf
Anton Polyakov ist 1990 in Tirsapol, der Hauptstadt Transnistriens, geboren - am selben Tag, an dem die nicht anerkannte Republik gegründet wurde. Vielleicht ein Symbol für die Verbundenheit mit seiner Heimat?