Immunzellen
23. Juni 2014Bei schweren Fällen von Leukämie - auch Blutkrebs genannt - ist die Transplantation von Blutstammzellen mittlerweile gängige Praxis. Hierbei wird das erkrankte Knochenmark des Leukämiepatienten durch gesunde Zellen von einem passenden Spender ersetzt. Leukämie bezeichnet eine bösartige Erkrankung der weißen Blutkörperchen, der Leukozyten. Die sind im Körper für die Abwehr von Infektionen zuständig. Die akute Leukämie entwickelt sich innerhalb weniger Wochen und muss möglichst schnell behandelt werden.
Bei der Blutstammzellen-Therapie kann es auch zu Abstoßungsreaktionen kommen. Deswegen erhalten die Betroffenen Medikamente, die das Immunsystem weitestgehend unterdrücken, das Infektionsrisiko ist dann allerdings wesentlich größer, alle wichtigen Grundimpfungen müssen erneut gegeben werden, genau wie bei einem Kind.
Gegen einige Erkrankungen aber gibt es keine Impfstoffe. Dazu gehören etwa Pilze oder Herpesviren. Es dauert Monate, manchmal sogar Jahre, bis der Patient wieder über ein funktionierendes Immunsystem verfügt. "Ein Großteil der Patienten erlebt direkt nach der Transplantation eine Infektion, also innerhalb der ersten vier Wochen. Aber die Patienten können auch über Jahre hinweg schwere Infektionen entwickeln", erklärt Andreas Mackensen von der Universitätsklinik Erlangen.
Immunzellen werden implantiert
Ein erhöhtes Infektionsrisiko zu vermindern oder ganz zu vermeiden, genau daran forschen Wissenschaftler in Erlangen. Beteiligt sind Experten aus dem Virologischen Institut und dem Department Biologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die Patienten sollen in Zukunft nach der Stammzellentransplantation funktionsfähige B-Lymphozyten erhalten. Diese Zellen gehören zu den weißen Blutkörperchen und sind in der Lage, Antikörper zu bilden, sind also wichtig für das Immunsystem.
Das Forscherteam hat es geschafft, diese B-Lymphozyten sowohl im Reagenzglas als auch beim Maus-Versuch zu differenzieren. Sie haben eine Technik entwickelt, um Immunzellen aus dem Blut des Spenders aufzureinigen - und sie dem Patienten nach der Knochenmarktransplantation zu übertragen. In der laufenden Studie erfolgt diese Übertragung drei bis vier Monate nach der Stammzelltransplantation. "Das ist die Zeit, zu der die Patienten in der Regel noch kein neues Immunsystem aufgebaut haben und entsprechend infektionsgefährdet sind. Wir haben zeigen können, dass die Patienten in dieser Phase nach der Transplantation überhaupt keine Gedächtniszellen im Blut haben."
Gedächtniszellen sind verantwortlich für das immunologische Gedächtnis des Körpers und sind gewissermaßen der Informationsspeicher für die Bildung von Antikörpern gegen Krankheiten. Diese Zellen wollen die Forscher nun dem Empfänger transplantieren. Der Körper muss die Immunantworten dadurch nicht neu erlernen, wie etwa ein Säugling. Nach der Stammzelltherapie erhalten die Leukämie-Patienten ein funktionierendes Immunsystem von ihrem Spender.
Ist der beispielsweise gegen Typhus geimpft, wird diese Impfung auch auf den Empfänger übertragen. "Wir wollen natürlich auch wissen, was genau passiert. Wir wollen die Patienten zusätzlich mit einem konventionellen Impfstoff impfen, um zu sehen, ob sie auf diesen Impfstoff reagieren. Wir wissen, dass die Patienten in der Regel ohne diese Zellen nicht auf diesen Impfstoff reagieren. Damit haben wir eine Kontrollgruppe und können so zeigen, dass es funktioniert."
Wenn der Körper verrückt spielt
Bei der Transplantation besteht jedoch die Gefahr, dass die Immunzellen nicht nur Antikörper gegen irgendwelche Bakterien und Viren bilden, sondern eventuell auch sogenannte Auto-Antikörper oder Allo-Antikörper. Das könne zu Entgleisungen bei den Immunreaktionen führen, räumt Mackensen ein, etwa zu Überreaktionen des Immunsystems. "Deshalb haben wir uns auch entschlossen, in dieser ersten Studie mit einer sehr geringen Zahl dieser Immunzellen zu beginnen.
Sie lösen nicht direkt eine volle Immunreaktion aus, die sich vielleicht auch gegen gesundes Gewebe richten. Das ist die Hauptproblematik, die Hauptgefahr." Aber es gebe einen Antikörper, der für bestimmte Erkrankungen zugelassen ist und in der Lage, die transplantierten B-Lymphozyten auszuschalten.
"Wenn das Ganze beim Patienten wirklich außer Rand und Band geraten sollte, hat man die Möglichkeit, ihm diesen Antikörper zu geben, und der würde die Zellen sofort eliminieren. Es gibt also eine gewisse Sicherheitsbrücke", so Mackensen.
Es gibt erste Erfolge
Die Forschungen der Wissenschaftler in Erlangen befinden sich in Phase Eins. Das ist die Sicherheits- und Machbarkeitsstudie. 15 Patienten nehmen an der Studie teil. Der erste Proband ist ein 21-jähriger Patient aus Nordbayern. Transplantiert wurde er im März.
"Dem Patienten geht es ausgezeichnet. Er ist zu Hause und erfreut sich bester Gesundheit. Er kommt regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen in die Ambulanz und er hat das alles sehr gut vertragen", freut sich Mackensen. Schließlich ist es eine weltweite Premiere: Der junge Mann ist der erste, bei dem Immunzellen transplantiert wurden.