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Politik

14. Dezember 2011

Weniges erbost den Deutschen so, wie der Verdacht, Politiker könnten sich durch ihr Amt bereichern. Viele prominente Amtsinhaber haben das schon übersehen und sind gestürzt.

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Strand mit Palme in der Dominikanischen Republik. Foto: Archiv
Traumreisen können Karrieren zerstörenBild: UI

Über vieles sind deutsche Spitzenpolitiker schon gestolpert: Über schwarze Parteikassen, wie vor Jahren der CDU-Ehrenvorsitzende Helmut Kohl. Über eine Spitzelaffäre, wie der einstige SPD-Ministerpräsident Björn Engholm in Schleswig-Holstein. Oder über die Liebe zu einer 16-jährigen Schülerin, wie jüngst ein Ministerpräsidentenkandidat. Ganz zu schweigen von den Tücken des Internets, die Karl Theodor zu Guttenberg in diesem Jahr seinen Doktortitel und sein Amt als Verteidigungsminister kosteten, nachdem man ihn im Netz als Plagiator entlarvt hatte.

Nichts aber scheint so gefährlich für einen deutschen Politiker, wie der Verdacht, sich oder seine Nächsten durch das Amt persönlich bereichert zu haben. Obwohl der Berufspolitiker in der Bevölkerung eigentlich kein großes Ansehen genießt, misst ihn die Öffentlichkeit in dieser sensiblen Frage mit strengsten Maßstäben. Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann trat 1993 zurück, weil er auf amtlichem Briefpapier für den gerade erfundenen Einkaufswagen-Chip eines angeheirateten Vetters geworben hatte. Bundesverkehrsminister Günther Krause ließ sich seine Putzfrau vom Arbeitsamt bezahlen und musste sich prompt selbst nach einem neuen Job umsehen. Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping wurde 2002 wegen zu enger Kontakte zu einem PR-Berater entlassen, der ihm unter anderem teure Anzüge bezahlt haben soll.

Ausgeprägte Reiselust

Bundeskanzler Helmut Kohl schaut am 21.8.1998 während einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt in Bonn auf den von ihm zum Vorsitzenden des "Beraterkreises für Zukunft und Innovation" berufenen Lothar Späth. Foto:Archiv
Lothar Späth und Bundeskanzler KohlBild: picture-alliance / dpa

Der Druck, den Öffentlichkeit und Medien entfalten, wenn persönliche Vorteilsnahme im Spiel scheint, ist größer, als bei politischem Versagen. Reihenweise wurden Spitzenpolitiker Opfer ihrer ausgeprägten Reiselust: Baden-Württembergs Ministerpräsident Lothar Späth und sein bayrischer Amtskollege Max Streibl hatten sich ihre Trips in die weite Welt von Firmen spendieren lassen. Niedersachsens Regierungschef Gerhard Glogowski ließ sich das Geld für seine Hochzeitsreise vom Staat vorstrecken, geriet mit der Begleichung der Rechnung arg in Verzug und wurde letztlich von der eigenen Parteispitze zum Rücktritt genötigt.

Jede neue Enthüllung bestätigt das Vorurteil im Volk, dass Politiker in erster Linie den persönlichen Vorteil im Auge haben, wozu im übrigen auch die irrige Annahme beiträgt, sie hätten besonders hohe Einkommen. Der jetzt in der Kritik stehende Bundespräsident Christian Wulff wies vor Jahren in einem Interview darauf hin, dass jeder Sparkassendirektor besser bezahlt werde, als ein Ministerpräsident. Im ostdeutschen Bundesland Sachsen-Anhalt musste in den Anfangsjahren der deutschen Einheit ein Ministerpräsident seinen Sessel räumen, der aus dem Westen in den Osten gekommen war, sich aber sein höheres Westgehalt auszahlen ließ. Nach jahrelangem Rechtsstreit bekam der Zurückgetretene nachträglich vom Gericht recht, seine politische Karriere aber war beendet.

"Saludos Amigos"

Oft waren es allerdings weniger die schlagzeilenträchtigen Verfehlungen der Politiker als vielmehr ihr Umgang damit, der letztlich nur noch den Rücktritt ließ - auch auf Druck der eigenen Partei. Der bayrische Ministerpräsident Max Streibl hatte auf Kosten eines deutschen Flugzeugbauers Urlaub in Brasilien gemacht und wurde beschuldigt, dem Unternehmen dafür Rüstungsaufträge zugeschanzt zu haben. Man sprach von der "Amigo-Affäre". Bei einem öffentlichen Faschingsauftritt versuchte er, die Angelegenheit ins Lächerliche zu ziehen und begrüßte die Parteifreunde mit "Saludos Amigos", was eine verheerende politische Wirkung und das Ende der politischen Karriere zur Folge hatte.

Der Bundesvorsitzende der Gruenen, Cem Oezdemir, gestikuliert in Berlin in der Bundespressekonferenz Foto: Berthold Stadler/dapd
Comeback nach dem Rücktritt: Cem ÖzdemirBild: dapd

Je nachdem, wie peinlich der Abgang war und wie sehr die eigene Partei verärgert wurde, sind jedoch auch Comebacks möglich. Wolfgang Schäuble, im Jahr 2000 als CDU-Vorsitzender wegen der Schwarzgeldaffäre zurückgetreten, ist heute Bundesfinanzminister. Cem Özdemir, der heutige Chef der Grünen, hatte 2002 Geldschwierigkeiten und ließ sich einen günstigen privaten Kredit geben, ausgerechnet von einem PR-Berater. Außerdem nutzte er dienstlich gesammelte Bonus-Meilen der Lufthansa für Privatreisen, was Abgeordneten verboten ist. Dem Rückzug aus dem Bundestag und einem Aufenthalt in den USA folgte allerdings schnell die Wahl ins Europa-Parlament und 2008 die Wahl zum Grünen-Chef.

Raus Entschuldigung

Bundespraesident Johannes Rau winkt zu den Zuschauern am 5. September 2003 waehrend des Besuchs des daenischen Koenigspaars in Luebeck. (AP Photo/Heribert Proepper
Bürgerpräsident Rau: Entschuldigung für FehlerBild: AP

An die Integrität eines Bundespräsidenten knüpft man besonders hohe Erwartungen. Gleichzeitig kann er aber auch mit größerer Zurückhaltung der Parteien rechnen, solange die Vorwürfe nicht hieb- und stichfest sind. Wie man als Bundespräsident eine Affäre aus der Vergangenheit übersteht, hat der Sozialdemokrat Johannes Rau vorgemacht. Den Verdacht, während seiner Amtszeit als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen Flugzeuge der landeseigenen Bank auch für Parteitermine genutzt zu haben - was einer verdeckten Spende an die SPD gleichgekommen wäre - konnte er zwar nicht bei allen Kritikern vollständig ausräumen. Doch Rau gestand ein, dass er möglicherweise Fehler gemacht habe und entschuldigte sich öffentlich. Politiker verschiedener Parteien stützten ihn. Zu den wenigen, die vehement forderten, die SPD solle Rau wegen der Vorwürfe als Bundespräsident "zurückziehen", gehörte seinerzeit laut Presseberichten der damalige stellvertretende CDU-Vorsitzende Christian Wulff.

Autor:Bernd Gräßler
Redaktion: Friederike Schulz