Trittin: Kalter Krieg 2.0
26. März 2018DW: Herr Trittin, Außenminister Heiko Maas nennt die Ausweisung russischer Diplomaten ein "Signal", ihr Parteichef Robert Habeck ein "Zeichen der Solidarität mit Großbritannien". Schließen Sie sich dem an?
Jürgen Trittin: Ich glaube, dass das eher ein Zeichen der Solidarität mit Theresa May ist. Man möchte ihre Stellung in Großbritannien angesichts der laufenden Brexit-Verhandlungen stärken und dafür zeigt Europa jetzt Einigkeit. Das ist in meinen Augen, um Herrn Maas zu zitieren, leichtfertig. Denn man tut es zu einem Zeitpunkt, wo abschließende Belege nicht vorliegen, sondern Vermutungen und Plausibilitäten. Die Plausibilität weist in Richtung Russland, aber da man nun auch damit rechnen muss, dass es eine selbstverständliche Reaktion aus Russland gibt, weiß ich nicht ob man gut beraten ist, sich auf der Basis von Plausibilitäten in eine Politik der Eskalation und des gegenseitigen Hochschaukelns zu begeben.
Wäre es aus Ihrer Sicht besser gewesen, den Bericht der Organisation für das Verbot chemischer Waffen im Fall Skripal erst einmal abzuwarten?
Ja, es wäre der richtige Weg gewesen, diesen Bericht abzuwarten, um dann auf der Basis von tatsächlichen Erkenntnissen zu handeln. Dann hätte man diese Solidarität auch immer noch gut demonstrieren können und stünde nicht im Verdacht, dass das Ganze wenig mit Skripal, aber viel mit Brexit zu tun hat.
In Sachen Brexit haben Deutschland und die EU ja wenig Vertrauen in die britische Regierung, in Boris Johnson, in Theresa May. Sie trauen den Briten auch im Fall Skripal nicht?
Die Briten haben ordentlich ermittelt. Was die Rolle von Boris Johnson und sein Verhältnis zur Wahrheit angeht: Nun wissen wir seit der Brexit- Kampagne, dass er dazu ein durchaus taktisches Verhältnis hat. Wenn man das mal freundlich sagen darf. Aber ich bin nicht der Auffassung, dass es keine Fingerzeige in Richtung Russland gibt. Nur wenn man Russland darauf eine Antwort gibt, dann braucht man mehr als Plausibilität.
Sie haben auch schon vor dieser Ausweisung vor einer "Empörungsspirale" gewarnt. Was glauben Sie sind jetzt die Folgen?
Wenn man dieses fortsetzt, dann ist man ganz schnell in einer Situation des Kalten Krieges 2.0. Und ich halte dieses nicht für klug. Für all das, was wir von Russland wollen und wo wir Verhaltensänderung von Russland wollen - sei es Syrien, sei es in der Frage der Stationierung von Mittelstreckenraketen - ist ein neuer Kalter Krieg nicht hilfreich, sondern möglicherweise sogar schädlich.
Was antworten Sie denen die sagen, Putin verstehe nur Stärke?
Und dann weist man vier Diplomaten aus? Da lacht der drüber.
Was wäre denn der richtige Weg?
Es gibt ein Verfahren für solche Fälle und darauf ist Wert zu legen, und dann wartet man den Bericht entsprechend ab und geht auf dieser Basis vor. Ich bin nicht dafür, Fehlverhalten, die Ermordung von Menschen und ähnliche Dinge unbestraft zu lassen. Aber ich bin sehr dafür, dieses so zu tun, dass man auf der Basis von Belegen handelt und nicht auf der Basis von Plausibilität.
Jürgen Trittin (Grüne) ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags und stellvertretender Vorsitzender der deutsch-russischen Parlamentariergruppe.
Das Gespräch führte Peter Hille.