Troika-Chef rügt Zahlungsmoral der Griechen
4. Juli 2012Die Schuldenkrise hat dazu geführt, dass die von den internationalen Finanzmärkten abgeschnittenen Hellas-Banken nur noch zögerlich Kredite vergeben und der klamme Staat Rechnungen lange liegen lässt, um bei Kasse zu bleiben. Dieses Problem behindere alle Reformfortschritte, sagte Troika-Chef Reichenbach in Athen.
Lieferanten in der Industrie sitzen auf einem Berg offener Rechnungen von rund 6,5 Milliarden Euro. Die Forderungen reichen von Arzneimittellieferungen der Pharmabranche für Krankenhäuser bis hin zu teuren Bauleistungen für den Staat. Die griechische Regierung kündigte an, die Zulieferer - wenn möglich - noch in diesem Jahr zu bezahlen.
Troika-Experten prüfen Reformschritte
Experten der internationalen Gläubiger-Troika haben am Dienstag ihre Arbeit zur Überprüfung der Einhaltung der Sparbeschlüsse wieder aufgenommen. Das verlautete aus dem Finanzministerium in Athen. Die Experten von Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds wollen sich vor Ort über die Reformfortschritte informieren. Die Troika muss zuvorderst über die Freigabe der nächsten Kredittranche an das pleitebedrohte Euro-Land befinden, die noch im August fällig wird. Nach dem Reformstau der vergangenen Monate ist unklar, ob Griechenland die Bedingungen für die Tranche in Höhe von 31 Milliarden Euro erfüllt.
Der Troika-Besuch findet kurz nach dem Antritt der neuen Regierung unter dem konservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras statt. Samaras will am Freitag im Parlament sein Regierungsprogramm vorstellen und sich das Vertrauen aussprechen lassen. In einem Brief an EU und IWF hatte Samaras darum gebeten, die Bedingungen des Rettungspakets noch einmal neu zu verhandeln. Zugleich schrieb Samaras, er sei "absolut entschlossen, die Verpflichtungen zu erfüllen, die sich aus dem jüngsten Rettungsplan ergeben".
Düstere Konjunkturaussichten
Die Aussichten für die wirtschaftliche Entwicklung Griechenlands sind weiter düster. Vize- Finanzminister Christos Staikuras verwies auf eine Studie, wonach die griechische Wirtschaftsleistung im Jahr 2012 um 6,7 Prozent schrumpfe. Die Notenbank war vor zwei Monaten noch von einem Minus von 4,5 Prozent ausgegangen. Die Wirtschaft befindet sich das fünfte Jahr in Folge in der Rezession. Die Arbeitslosigkeit liegt bei mehr als 22 Prozent und ist damit etwa doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Eurozone.
Der scheidende Chef des Weltbankenverbandes, Charles Dallara, forderte Athen auf, die Bürokratie abzubauen, den Staatssektor zurückzufahren und Privatisierungen beherzt anzupacken. Dallara sagte, trotz aller Probleme liege die Zukunft des Ägäis-Landes in der Euro-Zone: "Die Griechen haben eine Brücke überschritten und können nicht mehr umkehren."
Fico pocht auf Reformbekenntnisse
Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico forderte von allen hilfsbedürftigen Euro-Ländern ein klares Bekenntnis zu Reformen. Sein Land sei nicht bereit, weitere Hilfen zu leisten, wenn die Empfängerländer nicht klar nachwiesen, dass sie ausreichende Reformen unternähmen: "Die Geduld der Öffentlichkeit ist am Ende", sagte Fico nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin.
Dagegen hält der bayerische Finanzminister Markus Söder die Rettungsbemühungen für einen Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone für gescheitert. "Griechenland kann und will es wohl nicht schaffen", sagte der CSU-Politiker der "Augsburger Allgemeinen". Man müsse ein Ausstiegsszenario für Griechenland vorbereiten. Das Land sei wirtschaftlich kaputt und könne mit dem Euro keinen Neuanfang bewältigen.
Troika prüft auch in Zypern
Auch in Zypern begann eine Delegation von EU, EZB und IWF damit, die Wirtschafts- und Finanzlage auf der Mittelmeerinsel zu bewerten. Wie das Finanzministerium in Nikosia mitteilte, soll festgestellt werden, inwieweit die zyprische Wirtschaft von der Krise in Griechenland getroffen wurde. Zypern und Griechenland sind finanziell und wirtschaftlich eng verbunden.
Zypern hatte am Sonntag für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Wenige Tage zuvor hatte das Land um Finanzhilfen von EU und IWF gebeten, ohne dass ein konkreter Betrag genannt wurde. Derzeit werden mindestens 2,3 Milliarden Euro zur Rekapitalisierung der beiden größten Banken des Landes benötigt.
kle/wa (afp, dpa, rtr, dapd)