Kalkulierte Verwöhnung eines Präsidenten
25. Mai 2019Die japanische Regierung beweist Einfallsreichtum, um ihrem Staatsgast einen eindrücklichen Aufenthalt zu bereiten. Am Sonntag (26.05.) erhält der US-Präsident Donald Trump beim Abschluss des zweiwöchigen Sumo-Großturniers einen Ehrenplatz direkt am Ring. Stühle ersetzen die üblichen Bodenkissen, damit der 72-Jährige bequem sitzt. Dann darf der US-Präsident dem Turniersieger den "Trump-Cup" überreichen, so die inoffizielle Bezeichnung für eine eigens angefertigte Trophäe zu Ehren der Freundschaft zwischen Japan und den USA.
Den protokollarischen Höhepunkt der Staatsvisite bildet am Montagmorgen eine Begegnung mit dem gerade inthronisierten Kaiser Naruhito. Als erster ausländischer Besucher trifft Trump den neuen Monarchen. Am Abend ist das neue Kaiserpaar Gastgeber für ein Staatsbankett. Naruhito hatte die kaiserlichen Regalien am 1. Mai von seinem abgedankten Vater Akihito übernommen. Die eigentliche Thronbesteigung vor Staatsgästen aus aller Welt findet erst am 22. Oktober statt. Dort braucht Trump sich nicht einzureihen, sondern erhält lange zuvor den Vorzug.
Kalkuliertes Bauchpinseln
Mit solchen speziellen Ehren möchte Japans Premierminister Shinzo Abe die Gunst des US-Präsidenten gewinnen und das Bündnis zwischen Tokio und Washington stärken. Anders als europäische Politiker bemühte sich Abe von Anfang an um eine enge persönliche Beziehung zu Trump, um dessen Vorbehalte gegenüber Japan in der Sicherheits- und Wirtschaftspolitik auffangen zu können. Die Bauchpinseleien sollen Trump so wohlwollend stimmen, dass Japan den Forderungen aus Washington nur in geringem Maße entgegenkommen muss.
Diese Taktik lässt sich bei dem letzten Programmpunkt der Präsidentenreise studieren. Am Dienstag fahren Abe und Trump gemeinsam zur US-Marinebasis Yokosuka und inspizieren einen von zwei japanischen Hubschrauberträgern der Izumo-Klasse. Beide Schiffe sollen umgebaut werden, sodass sie als Flugzeugträger für Tarnkappenbomber dienen können. Dafür kauft Japan beim US-Hersteller Lockheed Martin extra 42 Kampfflugzeuge vom Typ F35B ein, die sogenannten "Kurzstartflugzeuge" mit Senkrechtlandekapazität. Zudem erwirbt die Tokioter Regierung über früher bestellte 42 Kampfjets vom Typ 35A hinaus weitere 63 Stück dieses Modells von Lockheed Martin.
Wenig Zugeständnisse
Der Besuch in Yokosuka soll Trump an den massiven Waffenkauf erinnern. Tokio verringert auf diese Weise das US-Handelsdefizit gegenüber Japan und reagiert auf die Trump-Forderung nach einem "fairen und reziproken" Handel. Zugleich mindert das Entgegenkommen den US-Druck in den bilateralen Verhandlungen über einen Handelsvertrag. "Bei diesen Gesprächen, die man nie wollte, zielt Japan darauf ab, so wenige Zugeständnisse wie möglich zu machen", erläutert der deutsche Politikwissenschaftler Sebastian Maslow von der Universität Tokio.
Die Taktik der Japaner hat sich ausgezahlt. Zunächst dauerten die Vorbereitungen mit Unterhändlern mehr als zwei Jahre, bis die Gespräche zwischen dem US-Beauftragten Robert Lightizer und Japans Wirtschaftsminister Toshimitsu Motegi April überhaupt begannen. Dann wurde ihr Umfang auf Fahrzeuge und Agrarwaren beschränkt. Umstrittene Themen wie Importquoten für Autos und Währungsfragen bleiben außen vor. Japan gab auch dem US-Drängen nicht nach, den Abschluss der Verhandlungen bei dem Gipfeltreffen zwischen Abe und Trump am Montag zu verkünden.
Dem Argument der Tokioter Regierung, vor einer Abmachung die Parlamentswahl im Juli abzuwarten, hatten die Amerikaner nichts entgegenzusetzen. Sie wollen bessere Importbedingungen für ihre Agrarwaren als andere Länder durchsetzen, doch träfe dies japanische Bauern, die zu den Kernwählern der regierenden Liberaldemokraten um Shinzo Abe gehören.
Zur Überraschung der amerikanischen Seite verlangt Tokio sogar den Abbau von US-Zöllen für japanische Autos und Autoteile. Daher liegen die Positionen weit auseinander. Bei ihrem Gipfel dürften Abe und Trump nur ihren Abschlusswillen bekräftigen. Stattdessen wollen sie eine Vereinbarung über eine japanische Beteiligung an US-Weltraumprojekten wie der Monderkundung unterzeichnen.
Selbstbewusstsein in Japan
Das japanische Selbstbewusstsein erklärt sich damit, dass die US-Agrarlobby die eigenen Unterhändler unter Zeitdruck setzt. Die US-Exporteure von Rind- und Schweinefleisch haben sichtbar an Marktanteilen in Japan verloren. Der Grund: Zum 1. Januar trat der Handelsvertrag mit zehn Pazifik-Anrainerstaaten (TPP-11) und zum 1. Februar das Abkommen mit der EU in Kraft, die für Fleisch jeweils zu sinkenden Importzöllen führten. Der US-Agrarlobby dürfte es reichen, wenn sie die gleichen Bedingungen bekäme. Als Zuckerstück vor dem Gipfel hoben die Japaner die verbliebenen Einfuhrverbote für US-Rindfleisch auf.
Seine Eigenständigkeit dürfte Premier Abe auch im US-Handelskonflikt mit China beweisen. China ist Japans wichtigster Handelspartner und ein Schlüsselmarkt für viele Unternehmen aus Nippon. Im Zuge ihres politischen Tauwetters wollen Japan und China die wirtschaftliche und technologische Kooperation verstärken. Ein "eiserner Vorhang" zu China auf dem Feld von Zukunftstechnologien liegt nicht in Japans Interesse, während sich Trump japanische Unterstützung im Handelsstreit mit China wünscht. "Trump muss Japan im Handelsstreit auf seine Seite ziehen, um den Druck auf Peking zu erhöhen", meint der Politologe Maslow. Dafür müsse der US-Präsident seinerseits den Druck auf Japan verringern.