Trump, nein danke! Kallstadt hat genug von Donald
6. März 2016Ein schmiedeeisernes Weingutschild neben dem nächsten: Das pfälzische Dorf Kallstadt ist ein beschaulicher Weinort mit 1200 Einwohnern. Einen Supermarkt sucht man vergeblich, einen Bahnhof ebenfalls. Die pfälzische Idylle und der berühmte Saumagen, eine Spezialität aus Schweinefleisch, Hackfleisch und Kartoffeln, locken trotzdem jede Menge Touristen an. Doch in diesen Tagen ist Kallstadt auch der "place to be" für Journalisten – aus aller Welt. Der Grund: Polit-Provokateur Donald Trump hat seine Wurzeln in Kallstadt. Sein Großvater Friedrich Trump wurde hier geboren. Publik wurde das bereits durch den Dokumentarfilm "Kings of Kallstadt" von 2014, doch seit Trump als Kandidat der Republikaner für die amerikanische Präsidentschaft gehandelt wird, dreht sich in Kallstadt alles nur noch um ihn. Diesen Eindruck vermittelt zumindest ein Blick auf die mediale Berichterstattung. Ein Streifzug durch den Ort und ein gemeinsamer Umtrunk beweisen jedoch das Gegenteil.
Super Tuesday in Kallstadt
Dienstag, der 1. März. Stau auf dem Parkplatz vor der Turnhalle des kleinen Weinortes. "Besonderer Abend heute", brummt es in lupenreinem Pfälzisch unter zwei Regenschirmen hervor. Doch die Kallstädter versammeln sich an diesem Abend keineswegs, um zu verfolgen, wie "ihr Donald" bei den Vorwahlen am Super Tuesday abschneidet. Stattdessen steht die Amtseinführung des neuen Bürgermeisters der übergeordneten Verbandsgemeinde Freinsheim, zu der Kallstadt gehört, an.
Statt im Stile von Trumps "Ich wäre der beste Präsident, den Gott je erschaffen hat" beginnt besagter Verbandsbürgermeister namens Jürgen Oberholz seine Antrittsrede mit einem augenzwinkernden "Ich bin der Neue". Vor versammelter Dorfgemeinschaft, darunter auch Leute, in deren Adern Trumpsches Blut fließt, spricht der frisch gebackene Verbandsbürgermeister über die anstehenden Herausforderungen: von Umgehungsstraßen bis hin zur Aufnahme von Flüchtlingen. Er bekundet auch seine Freude über den Bau eines neuen Feuerwehrgeräteschuppens. Amerika und Donald Trump könnten in diesem Moment kaum weiter weg sein.
Die Sympathie für den berühmten Abkömmling ist im Dorf seit einiger Zeit ohnehin auf Erbsengröße geschrumpft. "Zum Fremdschämen", findet die ehemalige Kallstädter Weinprinzessin Sarah Bühler den Milliardär und seine Parolen. Auch der angehende Winzer Kai Weisenborn hält nichts von Trumps Gehabe: "Ich finde, der Mann ist ziemlich asozial unterwegs. Und das ist überhaupt nicht das, was man irgendwie mit Kallstadt in Verbindung bringen sollte."
Ein Blick durch die fröhliche Menge in der Turnhalle zeigt, wofür Kallstadt eigentlich steht – oder stehen will: Gastfreundschaft, Feierlust und vor allem für hervorragenden Wein aus der Kallstädter Weinlage "Saumagen". Zahlreiche Schoppen gehen an diesem Abend über die Theke. Unalkoholisches mutet hier fast wie ein Tabu an. Der berühmte Enkel des Dorfes bekäme in dieser geselligen Runde ein Problem. Donald Trump trinkt keinen Alkohol. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass der Republikaner irgendwann hier vorbeischauen sollte, wüsste Thomas Jaworek, der ehrenamtliche Bürgermeister des kleinen Kallstadt, aber schon eine Lösung: "Dann gibt es eine Trump-Weinschorle: In Trumps Glas landet das Wasser, in unserem der Wein."
Der Tag danach
Der Himmel ist tiefgrau. Der Wind zerrt an den Fensterläden der alten Fachwerkhäuser Kallstadts. Regentropfen perlen an den schmiedeeisernen Weingutschildern herunter. Auf der Straße und in den Gaststätten hat an diesem Vormittag noch kaum jemand von Trumps Erfolg beim Super Tuesday gehört. Aber ein Bewohner hat trotz des Regens gleich einen trockenen Kommentar parat: "Daher also das schlechte Wetter."
Viel mehr möchte scheinbar niemand zu dem Thema sagen. Seit der Dokumentarfilm "Kings of Kallstadt" erschienen ist, haben die Dorfbewohner viel Pressewirbel erlebt. Bürgermeister Thomas Jaworek berichtet von Presseteams, die extra "von Übersee" angereist seien. Da fühle man sich dann zwar geehrt und erzähle gern etwas von Kallstadt und der schönen Urlaubsregion, aber man sei auch ein wenig irritiert über das rege Interesse. Auch wenn sie in ihrem Wesen eigentlich "g'schwätzig", also in ständiger Plauderlaune, und herzlich sein sollen, so begegnen die Kallstädter dem gezückten Stift, dem Mikrophon und der Kamera mittlerweile eher mit Skepsis – und winken ab: "Wegen dem Trump schon wieder."
Auf den Spuren der Trumps
Einer, auf dessen Tisch besonders viele Anfragen von Journalisten landen, ist Hans-Joachim Bender. Der Winzer im Ruhestand ist verwandt mit den Trumps: Seine Großmutter war eine geborene Trump. Doch nicht nur das. In seinen Adern fließt auch Blut der zweiten berühmten Familie mit Kallstädter Wurzeln, den Begründern des US-Ketchup-Konzerns Heinz. Allerdings geht es im Moment immer eher um Trump, erzählt Bender. Fragen nach seinen persönlichen politischen Einschätzungen und danach, ob er stolz auf die Verwandtschaftsbeziehung sei, hat er oft genug gehört. "Wir haben nichts mit den Trumps zu tun", sagt er, "Die hat es nicht interessiert, als es uns schlecht ging." Bei einer Reise in die USA hat Bender deshalb auch keinen Kontakt zu den entfernten Familienmitgliedern gesucht. Den Trump Tower in New York hat er sich aber angeschaut: "Überwältigend ist das schon. Das sind wir hier in Deutschland nicht gewohnt. Und in Kallstadt schon gar nicht."
Das Gegenteil des Trump Towers ist das Geburtshaus von Friedrich Trump, dem 1885 in die USA ausgewanderten (und später wieder zurückgekehrten) Großvater des US-Immobilientycons: Spitzgiebelig, schlicht, weiß. "Gott sieht alles, mein Nachbar noch viel mehr", steht auf einem Schild an der Hauswand. Ein Hinweisschild auf die berühmten Vorbewohner jedoch hängt trotz mehrfacher Anregungen nicht an dem Haus. Und das wird vermutlich auch so bleiben.