Trump will Millionen gesehen haben
22. Januar 2017US-Präsident Donald Trump und sein Pressesprecher haben die Medien in einem beispiellosen Angriff für ihre Berichterstattung über die Amtseinführung kritisiert. Trump bezichtigte die Medien am Samstag der "Lüge" angesichts der Zahl der Zuschauer bei der Amtseinführung. Er habe am Freitag am Kapitol eine Rede gehalten und sich umgesehen und das habe wie "eine Million, anderthalb Millionen Menschen" ausgesehen. Die Medien hätten aber einen Bereich gezeigt, "wo praktisch niemand stand" und behauptet, er habe keine Menschen angezogen.
In einem Pressebeitrag sei die Zahl der Anwesenden bei der Amtseinführung mit 250.000 angegeben worden. "Das ist eine Lüge", sagte Trump. Von den Stufen des Kapitols bis zum Washington Monument hätten Menschen gestanden. Trump sprach bei einem Besuch des Auslandsgeheimdienstes CIA.
Trump war offenbar so erzürnt, dass er seinen Sprecher Sean Spicer in den Presseraum des Weißen Hauses schickte, um die Medien anzugreifen. Das Foto von Trumps Vereidigung sei absichtlich so ausgeschnitten, dass es die Wahrheit verzerre, sagte Spicer bei seiner ersten Presseunterrichtung und sprach von einem "schändlichen" Vorgang. "Wir werden die Medien ebenfalls zur Rechenschaft ziehen. Das amerikanische Volk hat Besseres verdient", sagte er. "Das war die größte Zuschauerzahl, die jemals einer Amtseinführung beigewohnt hat", sagte er mit erhobener Stimme. "Punkt." Die Versuche der Presse, die Begeisterung während Trumps Amtseinführung zu schmälern, seien "beschämend und falsch".
Spicer behauptete, dass am Tag der Amtseinführung 420.000 Menschen die Metro benutzt hätten, während bei Obamas zweiter Inauguration im Jahr 2013 nur 317.000 Fahrgäste gezählt worden seien. Der "Washington Post" zufolge sind beide Zahlen falsch: Nach Angaben der Verkehrsbetriebe seien es am Freitag knapp 571.000 und im Jahr 2013 rund 782.000 Menschen gewesen.
Trump habe mit seiner Antrittsrede das Land versöhnen wollen, fuhr Spicer fort. Die "Unehrlichkeit" in den Medien mache diese Herausforderung noch schwieriger. Zum Ende seines Briefings kündigte er ein Treffen von Trump mit der britischen Premierministerin Theresa May für kommenden Freitag sowie ein Gespräch mit dem mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto für den 31. Januar an. Dann verließ Spicer den Saal, ohne eine Frage von Journalisten entgegenzunehmen.
Die Behörden in Washington geben keine offiziellen Zahlen zu Teilnehmern an der Amtseinführung heraus. Auf Fernsehbildern war jedoch zu sehen, dass die Fläche zwischen dem Kapitol, dem Sitz des US-Kongresses, und dem Washington Monument nicht vollständig mit Menschen gefüllt war. Vergleichsbilder zeigten zudem, dass deutlich weniger Menschen anwesend waren als bei der Amtseinführung von Trumps Vorgänger Barack Obama.
Offizielle Zahlen der US-Hauptstadt gab es auch nicht zum Protestmarsch gegen Trump, der vor allem im Zeichen der Frauenrechte stand. Die Organisatoren gingen von einer Million Menschen in Washington aus. Der Polizei in Los Angeles zufolge gingen dort mehr als 500.000 Menschen auf die Straße, auch in New York schätzten die Veranstalter die Teilnehmer auf eine halbe Million. Friedliche Massenproteste gab es unter anderem auch in Chicago, San Francisco und Dallas. In Schätzungen war von der größten Demonstration im Zusammenhang mit dem Amtsantritt eines neuen Präsidenten in der Geschichte der USA die Rede.
Die Demonstrationen waren schon seit längerem geplant gewesen, aber Trumps unversöhnliche, düster-aggressiven Antrittsrede im Stil seines Wahlkampfes mobilisierte anscheinend die Menschen zusätzlich. Vielerorts wurden die Erwartungen der Veranstalter bei weitem übertroffen, so in Washington, wo zunächst mit 200.000 Demonstranten gerechnet worden war. Prominente wie die Schauspielerinnen Emma Watson, Ashley Judd und Scarlett Johansson sowie die Sängerinnen Madonna und Alicia Keys feuerten hier die Menge an.
Der "Women's March on Washington" geht zurück auf einen einfachen Aufruf der Großmutter Teresa Shook bei Facebook. Vor allem Frauen beteiligten sich daraufhin an den Großkundgebungen. Viele Demonstranten trugen pinkfarbene "Pussyhats" - eine Anspielung auf sexistische Äußerungen Trumps. Protestschilder trugen Aufschriften wie "Nimm deine Finger von mir" oder "Steh auf, liebe, leiste Widerstand". Der sonst so twitterfreudige Trump äußerte sich zumindest zunächst nicht zu den Demonstrationen.
stu/as (afp, ap, dpa, washingtonpost.com)