Kultur-Proteste gegen Trumps Einreisestopp
1. Februar 2017Den Anfang machte der Deutsche Kulturrat. Durch Trumps Dekret sah er den internationalen Kulturaustausch "massiv bedroht", wie Geschäftsführer Olaf Zimmermann erklärte. Sein Appell an die deutsche Bundesregierung: "Alle diplomatischen Möglichkeiten nutzen, um dieses unselige Treiben zu beenden!"
Der US-Präsident hatte am Freitag per Dekret angeordnet, dass Bürger aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern für 90 Tage keine Visa erhalten dürfen. Dazu zählen Irak, Iran, Libyen, Somalia, Syrien, Sudan und Jemen. Auch deutsche Staatsbürger, die einen zweiten Pass aus diesen Ländern haben, dürfen vorerst nicht mehr in die USA reisen.
Das Goethe-Institut spürt erste Folgen
Erste Folgen spürt das deutsche Goethe-Institut. Werte wie Offenheit seien gefährdet, mahnte Goethe-Präsident Klaus-Dieter Lehmann in einem Interview des Deutschlandfunks. "Wir kennen ein anderes Amerika und wir möchten auch dieses andere Amerika in der Zukunft erhalten sehen." Für seine Berliner Veranstaltungsreihe "Die iranische Moderne" hatte das Kulturinstitut auch den in die USA ausgewanderten iranischen Schriftsteller Shahriar Mandanipur eingeladen. Der könne jetzt nicht kommen, aus Angst, nicht mehr in die USA zurück zu dürfen, bedauert Goethe-Generalsekretär Johannes Ebert in einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung. Das Blatt hat Stimmen namhafter Kulturschaffender zum Einreiseverbot zusammengetragen.
Danach wollte der in Berlin lebende Schriftsteller Najem Wali eigentlich nach New York fliegen, um Freunde, Kollegen und Journalisten zu treffen. Es wird nicht klappen: "Ich darf nicht nach Amerika reisen, weil ich ein Muslim und Terrorist bin", wundert sich der 1956 im irakischen Basra geborene Autor.
36 Jahre, nachdem er den Irak auf der Flucht vor Saddam Husseins Diktatur verlassen musste, wolle Trump ihm die 1991 erworbene deutsche Staatsbürgerschaft mit einem Federstrich zunichtemachen, sagt Wali. "Offenbar ist Trump nicht bewusst, dass alle früheren Diktatoren auf der Müllhalde der Geschichte gelandet sind. Er wird da keine Ausnahme sein."
Künstler fühlen sich ausgegrenzt
Shida Bazyar ist deutsche Schriftstellerin mit iranischen Wurzeln. Von ihr erschien 2016 "Nachts ist es leise in Teheran", über das sie auch bei der Veranstaltungsreihe "Die iranische Moderne" des Goethe-Instituts sprechen wird. Trumps Reisedekret wertet sie als reine Machtdemonstration. "Alle einschränkenden Gesetze, die explizit für Menschengruppen bestimmter Herkunft gelten", so Bazyar, "sind immer ein Schritt fort von einer freien und offenen Gesellschaft."
"All dies mit der Sicherheit des Landes zu rechtfertigen, ist unsinnig", meint der iranische Theatermacher Amir Reza Koohestani, der zuletzt an den Münchener Kammerspielen inszenierte, "das ist nur eine Ausrede für eine radikale Ideologie."
Die Maßnahmen seien Teil einer schmutzigen Politik mit dem Ziel, Muslime zu desavouieren und ihnen ein schlechtes Image anzuhängen. Es sei "erschreckend, wie man nun in Herkunftsmuster gepresst und abgegrenzt wird", meint die in Berlin lebende Choreografin Modjgan Hashemian. "Das ist das Gegenteil dessen, was ich mit meiner künstlerischen Arbeit bezwecke – nämlich den Dialog zu fördern, gerade in Ländern, in denen das keine Selbstverständlichkeit ist."
Stärkt Trumps Dekret die radikalen Kräfte?
Gerade in Ländern, die Trump diffamiere, geschehe derzeit so viel", konstatiert Yilmaz Dziewior, der in Bonn geborene Leiter des Kölner Museums Ludwig. "Der Bann ist völlig widersinnig." Dziewiors Kollege, Stefan Weber, Direktor des Berliner Museums für Islamische Kunst, glaubt, dass solche Maßnahmen die größten Terrorhelfer sind. "Jede Polarisierung hilft den Radikalen, statt die moderaten Kräfte zu stärken", unterstreicht Weber. Gleichwohl: Sollten sich Wissenschaftler künftig entscheiden, nicht mehr in Amerika, sondern in Deutschland zu forschen, "kann uns das nur recht sein."
"Vollkommen absurd" findet auch Friederike Fless, Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin, dass in einer international vollständig vernetzten Wissenschaft jemand denke, er könne ein Land völlig isolieren. "Amerika ist extrem angewiesen auf gute Leute, die es in vielen Ländern rekrutiert", so Fless. Die Maßnahme sei "völlig aus der Zeit gefallen."
Schon jetzt sei US-Präsident Trump mit seiner "dreckigen Politik" eine große Enttäuschung, kritisiert die iranische Künstlerin Parastou Forouhar. Sie lebt seit 1991 in Deutschland. Das Einreiseverbot für die USA, wo viele ihrer Freunde leben, mache sie wütend, so Forouhar zur Deutschen Welle. "Ich hoffe auf eine massive Gegenbewegung."
Von dem Einreiseverbot sind derzeit viele Deutsche betroffen, die zusätzlich einen iranischem Pass haben, darunter auch der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller SAID und Navid Kermani, der Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels ist.
sd/ld (dpa, dw.com, Süddeutsche Zeitung, Deutschlandfunk)