Tschechische Regierung übersteht Vertrauensvotum
12. Juli 2018Die Abgeordneten in Prag haben Tschechiens Minderheitsregierung des populistischen Ministerpräsidenten Andrej Babis gebilligt. "Das Parlament hat dem Kabinett sein Vertrauen ausgesprochen", sagte Parlamentspräsident Radek Vondracek nach einer Marathonsitzung. Das Bündnis von Babis' Partei ANO und der sozialdemokratischen CSSD war dabei auf die Hilfe der Kommunisten (KSCM) angewiesen. Zum ersten Mal seit 1989 hat eine kommunistische Partei wieder über die Bildung eines Kabinettes mitentschieden. Mehr als 16 Stunden lang hatten die Abgeordneten mit ihrer Entscheidung gerungen.
Babis kündigte in seiner Rede an, die tschechischen Interessen in Europa aktiv zu verteidigen. "Wir wollen keine Zuwanderung", sagte der Multimilliardär. Den prowestlichen Kurs Tschechiens will er beibehalten und Konflikte mit der EU wie die von Polen oder Ungarn vermeiden.
Die meisten Parteien wollen mit Babis nicht zusammenarbeiten, weil es gegen den Unternehmer Betrugsvorwürfe im Zusammenhang mit EU-Hilfen gibt. Er selbst hat jedes Fehlverhalten zurückgewiesen. Seine Koalition kommt nur mit Hilfe der KSCM auf 108 der 200 Sitze. Für Babis gestimmt hatten letztlich 105 der 196 anwesenden Abgeordneten.
"Das letzte Tabu der Nachwendezeit"
Im Januar hatte der 63 Jahre alte Babis mit seinem ersten Kabinett die Vertrauensfrage verloren - noch ohne Unterstützung anderer Koalitionspartner. Die tschechische Verfassung sieht vor, dass sich der Ministerpräsident innerhalb von 30 Tagen nach der Vereidigung der Vertrauensabstimmung stellt. Nach der Niederlage im Januar ernannte Staatspräsident Milos Zeman Babis ein zweites Mal für das Amt, daher folgte nun auch ein zweites Vertrauensvotum.
Die Duldung durch die kommunistische KSCM, deren Vorgängerpartei KSC bis zur demokratischen Wende von 1989 an der Macht saß, stößt in Teilen des Parlaments und der Öffentlichkeit auf scharfe Kritik: Der frühere CSSD-Innenminister Milan Chovanec blieb der Abstimmung aus Gewissensgründen fern. "Bis wohin wird die Macht der Kommunisten reichen?", fragte der Vorsitzende der Bürgerdemokraten (ODS), Petr Fiala. Die liberale Zeitung "Hospodarske noviny" merkte an, dass mit der Duldung durch die Kommunisten "das letzte Tabu der Nachwendezeit" fallen werde. Vor dem Parlament in Prag demonstrierten zudem rund hundert Menschen gegen das Wiedererstarken der Kommunisten.
rb/fw (dpa, rtr)