1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

TTIP-Verhandlungen: Afrika bleibt außen vor

Hilke Fischer5. Februar 2015

Hinter verschlossenen Türen verhandeln EU und USA über ihr geplantes Freihandelsabkommen. Drittstaaten, etwa aus Afrika, haben kein Mitspracherecht. Dabei könnte TTIP auch für sie weitreichende Folgen haben.

https://p.dw.com/p/1EVyc
Containerschiff Guinea-Bissau Foto: Marcio Pessoa
Bild: DW/M. Pessoa

Sie würde die größte Freihandelszone der Welt: Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der Europäischen Union und den USA. Beide Wirtschaftsräume decken zusammen rund ein Drittel des Welthandels ab. Um gut drei Prozent soll das weltweite Pro-Kopf-Einkommen dank des Abkommens steigen, verheißen Prognosen. Doch die Gewinne würden ungleichmäßig verteilt sein. Die größten Profiteure sind die unmittelbar Beteiligten, für Deutschland sagen Studien Einkommenszuwächse von bis zu 3,5 Prozent vorher. Für eine Reihe afrikanischer Staaten könnte das Pro-Kopf-Einkommen im schlimmsten Fall in ähnlicher Höhe zurückgehen.

Entscheidend sei, welche Güter und Dienstleistungen ein Land anbietet, und wie intensiv die Handelsbeziehungen mit Europa oder den USA seien, erklärt Gabriel Felbermayr, Professor am Ifo-Institut in München. Für das deutsche Entwicklungsministerium haben er und seine Kollegen untersucht, welche Auswirkungen TTIP auf Entwicklungs- und Schwellenländer haben könnte. Entscheidend dafür, ob afrikanische Volkswirtschaften durch das Abkommen gestärkt oder geschwächt werden, sei aber auch, wie der genaue Wortlaut des Abkommens am Ende sein wird. Noch steht TTIP nicht, die achte Verhandlungsrunde zwischen EU und USA hinter verschlossenen Türen geht an diesem Freitag zu Ende.

Afrikanische Wertschöpfung unter Druck

Auf Exporteure von unverarbeiteten Produkten und natürlichen Rohstoffen, die keine Konkurrenz aus den TTIP-Staaten fürchten müssen, hätte das Abkommen auf den ersten Blick wenig Einfluss. Die Elfenbeinküste etwa: Exporte in TTIP-Staaten machen rund ein Viertel des Bruttoinlandproduktes aus. Vor allem Kaffee und Kakao finden so ihren Weg auf amerikanische und europäische Frühstückstische. Beides wächst in den TTIP-Staaten nicht - sie wären trotz der Handelserleichterungen untereinander auf die Produkte aus der Elfenbeinküste angewiesen.

Kakaoproduktion in der Elfenbeinküste
Was TTIP für die ivorische Kakaoindustrie bedeutet, hängt ganz von den Formulierungen des Abkommens abBild: picture alliance/Photoshot

Sogenannte Ursprungsregeln könnten es Ländern wie der Elfenbeinküste jedoch erschweren, veredelte Produkte zu handeln. Diese Regeln könnten beispielsweise vorschreiben, dass mindestens 50 Prozent der Wertschöpfung eines Produkts in einem TTIP-Staat stattfinden muss, damit es von Zollerleichterungen profitieren kann - denn damit würde es als europäisches Produkt gelten. Wenn die Elfenbeinküste etwa die Kakaobohnen selbst zu Schokolade verarbeitet, dann könnte sie bei zu strikten Ursprungsregeln dafür weniger Abnehmer finden: Für deutsche Unternehmen würde es günstiger sein, den Kakao in Europa zu veredeln und dann nach Amerika zu exportieren. "Es besteht die Gefahr, dass durch das TTIP-Abkommen Entwicklungsländer eher aus den Wertschöpfungsketten des Westens hinausgedrängt werden oder ihr Zutritt in diese Wertschöpfungsketten erschwert wird", so Felbermayr.

Die allmähliche Industrialisierung Afrikas, die für Millionen den Ausweg aus der Armut bedeutet, könnte damit konterkariert werden. Das gilt für Schokolade aus der Elfenbeinküste ebenso wie für Textilien aus Kenia und Äthiopien oder Kfz-Bauteile aus Südafrika. Für diese Länder wäre es deshalb gut, wenn sich die Verhandlungpartner darauf einigen würden, die Ursprungsregeln möglichst weit zu fassen. Das sei auch im Sinne vieler europäischen Unternehmen, die einen großen Teil ihrer Produktion in Drittstaaten, also Länder außerhalb von EU und USA, ausgelagert haben, gibt Febermayr zu bedenken.

Diskriminierende Standards vermeiden

Wichtig sei zudem, dass die Produktstandards, auf dessen gegenseitige Anerkennung sich die USA und die Europäische Union am Ende einigen werden, auch für Produkte aus Drittstaaten gelten, mahnt Felbermayr. Die transatlantischen Standards dürften nicht diskriminierend sein. Zum Beispiel liefert Kenia grüne Bohnen und anderes Gemüse nach Europa, das nach EU-Standards, etwa in Bezug auf die Pestizidbelastung, angebaut wird. "Der Nachweis, dass der kenianische Produzent nach den europäischen Regeln arbeitet, sollte auch für die Marktzulassung in den USA hinreichend sein", so Felbermayr.

Das sei jedoch kein Selbstläufer, schränkt der Wirtschaftswissenschaftler ein: Es sei damit zu rechnen, dass es in den TTIP-Vereinbarungen am Ende nicht danach gehe, welche Standards ein Produkt einhält, sondern ob es ein europäisches oder ein amerikanisches Produkt ist. "Ich denke, man sollte Druck machen, dass die Verhandler hier auch die Interessen der Drittländer mitdenken."

Anbau von grünen Bohnen in Kenia Foto: TONY KARUMBA/AFP/Getty Images
Grüne Bohnen aus Kenia: Standards sollten Drittstaaten miteinschließenBild: T. Karumba/AFP/Getty Images

WTO wird umgangen

Länder wie Kenia, die mit ihren Stränden und Nationalparks tausende westliche Touristen locken, könnten vom Abkommen aber auch profitieren: Wenn TTIP zu mehr Wohlstand in Europa und den USA führt, würden mehr Menschen Urlaubsreisen nach Kenia buchen. Auch die Nachfrage nach frischem Gemüse könnte steigen. Da es die positiven und negativen Effekte gleichzeitig gebe, würden die vermutlichen Auswirkungen von TTIP auf gesamt Subsahara-Afrika in den Modellrechnungen sogar leicht positiv ausfallen, resümiert Wissenschaftler Felbermayr. "Es gibt einzelne Länder, die aufgrund des Mixes von Gütern, die sie herstellen, eher gefährdet sind als andere. Und andere, die eher im Tourismus, Bergbau aktiv sind, profitieren eher."

Der kenianische Wirtschaftswissenschaftler David Owiro vom "Institute of Economic Affairs" bezeichnet das geplante Abkommen als nicht fair: "Das, worüber die EU und die USA reden, hat Einfluss auf die ganze Welt. Doch der Rest der Welt hat keine Möglichkeit, sich an der Diskussion zu beteiligen. Sie müsste eigentlich in einem multilateralen Rahmen stattfinden." Diesen Rahmen gibt es bereits: Die Welthandelsorganisation (WTO), bei der die Entwicklungsländer mit am Tisch sitzen und zumindest ein formales Mitspracherecht haben. TTIP kann durchaus aus Versuch gedeutet werden, die WTO zu umgehen. Noch könnte es möglich sein, die laufenden TTIP-Verhandlungen zu Gunsten Afrikas zu beeinflussen. "Es wäre nur legitim, wenn die Entwicklungsländer in die Diskussion über positive oder negative Folgen des Abkommens einsteigen, dass sie Empfehlungen aussprechen können und dass ihre Sorgen berücksichtigt werden", so Owiro. Damit könnten die negativen Folgen für Drittstaaten minimalisiert werden. Sein deutscher Kollege Felbermayr sieht das ähnlich: Es müsse für Entwicklungsländer ein Informationsrecht geben, damit sie wissen, worüber die transatlantischen Partner reden. Doch mehr als Wünsche und Appelle äußern kann auch er nicht: "Was es braucht, ist eine gehörige Dosis guten Willens seitens der EU und der USA."

Fotosafari in Kenia Foto: Dan Kitwood/Getty Images
Mehr Wohlstand im Westen durch TTIP könnte Kenias Tourismuseinnahmen erhöhenBild: D. Kitwood/Getty Images