CIVIS-Preis für Til Schweiger
7. Mai 2015Ungarische Neo-Nazis ermordeten 2008 und 2009 sechs Roma und verletzten viele weitere schwer. Der historische Prozess zur Aufarbeitung eines der schwersten Hass-Verbrechen im EU-Mitgliedsland Ungarn litt unter Ermittlungspannen und Polizeischlamperei. Der Richter war wütend über so viel Rassismus und Ungerechtigkeit. Für die eindringliche TV-Dokumentation des Prozesses verlieh die Jury des Europäischen CIVIS-Medienpreises der Fernsehautorin Eszter Hajdu die Auszeichnung in der Kategorie "Information". Das ist der wichtigste von zehn Preisen, die am Donnerstag im Europäischen Parlament von der CIVIS-Stiftung verliehen wurden.
Kammerspiel gegen Diskriminierung
Die Preisträgerin Eszter Hajdu sagte, es sei "wichtig zu zeigen, dass in Ungarn auch heute noch Roma diskriminiert werden". Die Jury würdigte den Fernsehfilm als "intensives, fast schon klaustrophobisches Kammerspiel". Der Intendant des Westdeutschen Rundfunks, Tom Buhrow, sagte, in diesem Jahr habe es viele beeindruckende Filme, Hörfunkbeiträge und Onlineangebote über die Themen Flüchtlinge, Migration, Ausgrenzung und Integration gegeben. "Die haben uns tief beeindruckt." Die Wahl sei besonders schwer gefallen. Die CIVIS-Medienstiftung zeichnet jedes Jahr Qualitätsjournalismus vor allem aus öffentlich-rechtlichen Medien in ganz Europa aus. Die Leiterin des Berliner Hauptstadtstudios, Dagmar Engel, sitzt für die Deutsche Welle in der Jury, die die Preisträger auswählt. "Das ist eine Menge Arbeit, weil man Hunderte Filme und Beiträge sichten und bewerten muss." Der Preis sei sehr wichtig, so Engel, weil "er sich mit den zentralen Themen beschäftigt, die unser Leben und Zusammenleben in Europa in seiner Vielfalt bestimmen."
"Menschenwürde in Europa ist bedroht"
Das Europäische Parlament in Brüssel hatte die Schirmherrschaft für die Preisverleihung mit 300 Gästen übernommen. Während der Preisvergabe im hochmodernen Fernsehstudio des Parlaments sagte dessen Präsident, Martin Schulz (SPD), die CIVIS-Preise würden bedeutende Themen ins Rampenlicht rücken. "Denn Toleranz ist in Europa nicht mehr selbstverständlich. Minderheiten in Europa müssen 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges noch immer um ihre Sicherheit fürchten." Das dürfe nicht sein, mahnte Schulz. "Die Menschenwürde ist in Gefahr in Europa. Dagegen müssen wir kämpfen." Journalisten könnten auch Kämpfer in dieser Sache sein.
Kino-Star Til Schweiger gewinnt
Die CIVIS-Stiftung will Journalismus belohnen, der sensibel berichtet, um Populismus vorzubeugen, sagte der Geschäftsführer der Stiftung Michael Radix. Aber nicht nur Journalisten wurden geehrt, sondern auch ein bekannter Produzent, Regisseur und Schauspieler: Til Schweiger gewann für seinen tragi-komischen Spielfilm "Honig im Kopf" über die Alzheimer-Krankheit den Publikumspreis für den besten Kinofilm.
Til Schweiger erzählte von den Dreharbeiten zu "Honig im Kopf" und sagte, er habe absichtlich die Guten in seinem erfolgreichen Film mit Schauspielern besetzt, die aus Migrantenfamilien stammen. "Migranten werden in Deutschland nämlich immer noch nach Klischees besetzt, die schon lange nicht mehr stimmen", so Schweiger. Und das Schema wolle er durchbrechen. Den Kino-Preis hatte die Stiftung erst im vergangenen Jahr erfunden, um mit Stars und bekannten Namen das Interesse beim breiteren Publikum ein wenig zu steigern.
Aufwändiger Internet-Journalismus
Neben Kino, Fernsehen und Radio kommt auch das Internet bei der CIVIS-Preisverleihung zu Ehren. Den besten Online-Auftritt boten Dietmar Telser und Benjamin Stöß mit ihrer multimedialen Dokumentation "www.der-zaun.net" über die abgeschottenen Grenzen der Europäischen Union von Bulgarien bis nach Spanien. Die Civis-Jury würdigte die neue Form des Geschichten-Erzählens verbunden mit Datenjournalismus, Grafiken und Animationen. Die Web-Doku beantworte auf bewegende Weise die Fragen, wie sich die Grenze der EU für Flüchtlinge, aber auch für Grenzschützer anfühle. Koproduziert wurde der Internet-Auftritt "Der Zaun" vom Online-Portal der "Süddeutschen Zeitung".
In der Kategorie "Fernseh-Magazine" gewann der Italien-Korrespondent Philipp Zahn mit seiner Reportage über die Rettung von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer. Der prämierte Beitrag war eine Koproduktion Zahns für das Schweizer Fernsehen (SRG) und das Europa-Magazin der Deutschen Welle.