Tödliche Kombination aus Wind und Wellen
14. November 2013"Hätten die Behörden eine Tsunami-Warnung anstatt einer Taifun-Warnung ausgegeben, dann hätten mehr Menschen überlebt." So wird der Bürgermeister der vom Taifun Haiyan zerstörten Stadt Tacloban in den Medien zitiert. Die Menschen hätten nicht verstanden, dass ein Taifun mit einer so starken Sturmflut einhergehen würde, dass die Wellen denen gleichkommen würden, die ein Tsunami mit sich gebracht hätte.
Sieben Meter waren die Wellen der Sturmflut hoch, als Haiyan mit Windgeschwindigkeiten von 250 Kilometern pro Stunde in den Philippinen auf Land traf. "Es war die Kombination extremer Winde und extremer Wellen, die Haiyan zu dem tödlichen Taifun gemacht haben, der er war", sagt der stellvertretende Direktor der Weltwetterorganisation WMO, Jeremiah Lengoasa.
Höherer Meeresspiegel und wärmere Ozeane
Wie andere Experten möchte auch Lengoasa den Taifun nicht direkt auf den Klimawandel zurückführen. Was man aber schon sagen könne, meint er: Der Klimawandel führe zu einem höheren Meeresspiegel und auch zu höheren Temperaturen der Ozeane. Nach einem vorläufigen Bericht der WMO war die weltweite Oberflächentemperatur der Ozeane von Januar bis September 2013 so hoch wie seit 2010 nicht mehr.
"Stürme dieser Art bilden sich besser über wärmerem Wasser", sagt Lengoasa. Das habe man auch bei Hurrikan Sandy in den USA im vergangenen Jahr gesehen. "Sandy hat - den warmen Temperaturen der Meeresoberfläche folgend - einen sehr ungewöhnlichen Weg eingeschlagen. Und auch in New York war es vor allem die mit dem Sturm einhergehende Sturmflut, die diesen immensen Schaden angerichtet hat - genau wie auf den Philippinen."
Meeresspiegel steigt an einigen Orten stärker
Nur, dass im westlichen Pazifik - also der Region, in der die Philippinen liegen - der Meeresspiegel besonders hoch gestiegen ist. Lag der durchschnittliche weltweite Anstieg des Meeresspiegels laut WMO zwischen 1950 und 2010 bei zehn Zentimetern, so betrug er in der Region der Philippinen mehr als dreimal so viel, nämlich 35 Zentimeter.
"Die Strömungen des Ozeans, der Anstieg oder das Absinken von Küsten, die Unterschiede in der Erdanziehung an verschiedenen Flecken der Erde", sagt Michael Williams von der WMO, "all das führt dazu, dass sich regional der Anstieg des Meeresspiegels vom Durchschnitt unterscheidet."
Es war wohl diese Kombination aus einem wärmeren Ozean und einem sehr hohen Meeresspiegel, der dazu geführt hat, dass Haiyan mit besonders heftigen Winden und mit besonders hohen Wellen einherging: "Wenn man einen Meeresspiegel hat, der 35 Zentimeter höher ist", erklärt Michael Williams, "bedeutet das auch, dass die Sturmflut 35 Zentimeter höher ist, wenn sie auf Land trifft."
Anpassung nötig
Wärmere Ozeane, ein höherer Meeresspiegel und entsprechend stärkere Stürme begleitet von extremeren Sturmfluten: Das sind die neuen Bedingungen, auf die sich die Entwicklungsländer einstellen müssen, meint Saleemul Huq vom Internationalen Zentrum für Klimawandel und Entwicklung in Bangladesch. "Bessere Vorbereitung kann die Schäden und insbesondere die Zahl der Todesfälle deutlich reduzieren", sagt er.
In Bangladesch seien bei einem Zyklon Anfang der 1970er Jahre noch 300.000 Menschen ums Leben gekommen. Bei einem vergleichbaren Zyklon in den Neunzigern seien nur etwa 3000 Menschen gestorben, während zwei Millionen Menschen erfolgreich evakuiert worden seien. Das sei dem verbesserten Frühwarnsystem zu verdanken, meint Huq.
"Die Behörden müssen ganz eindeutige und einfache Warnungen ausgeben, die die Leute verstehen", sagt er. Besonders wichtig sei es, Schulkindern die unterschiedlichen Warnungen beizubringen, damit sie als Multiplikatoren auf ihre Eltern und Großeltern einwirken könnten.
In seinem Land würden mittlerweile auch die Notunterkünfte anders gebaut - erhöht nämlich. "Selbst im Fall einer Flutwelle von ein paar Metern Höhe würden die Menschen in den Unterkünften überleben", sagt Huq.
Grenzen der Anpassung
Doch bei aller Notwendigkeit, Frühwarnsysteme und Notunterkünfte den veränderten Wetterbedingungen anzupassen - für Huq zeigt das Beispiel der Philippinen vor allem, dass es Umstände gibt, an die sich die Menschen nicht anpassen können. "Auf den Philippinen gibt es jedes Jahr ungefähr zwanzig Taifune", sagt er, "dort gibt es gute Notunterkünfte und ein gutes Frühwarnsystem." Auch im Fall von Haiyan sei gewarnt worden, und die Menschen seien in die Unterkünfte geflüchtet.
"Aber sie sind in den Notunterkünften gestorben", sagt Huq, "weil dies ein Super-Taifun war, etwas, das es bisher noch nicht gegeben hat. Und deshalb waren sie darauf auch nicht vorbereitet."
Ein Beispiel für klimawandelbedingte Schäden
Das, meint Huq, mache den Taifun Haiyan zu einem guten Beispiel, warum es so wichtig sei, bei den Verhandlungen nicht nur darüber zu sprechen, wie die Industrieländer die Entwicklungsländer bei der Anpassung an den Klimwandel unterstützen können. Vielmehr gelte es, endlich auch darüber zu sprechen, wie die Industrieländer für Schäden aus solchen extremen Wetterereignissen aufkommen würden, auf die sich niemand vorbereiten könne.
"Ob wir nun diesen einzelnen Taifun auf den Klimawandel zurückführen können oder nicht", meint Huq, "wir werden infolge des Klimawandels auf jeden Fall mehr solcher Stürme und Sturmfluten erleben."