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Tödlicher Saisonauftakt am Mount Everest

13. April 2023

Im Eisbruch oberhalb des Everest-Basislagers werden drei Sherpas von Eismassen begraben. Es sind die ersten Todesfälle am höchsten Berg der Erde in diesem Frühjahr - noch bevor die Bergsteiger-Saison richtig losgeht.

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Der Mount Everest mit dem Khumbu-Eisbruch
Der Mount Everest (l.) mit dem Khumbu-Eisbruch (Bildmitte)Bild: Radek Kucharski/Zoonar/picture alliance

Die nepalesischen Bergsteiger Lakpa Rita Sherpa, Pemba Tenjing Sherpa und Dachhiri Sherpa waren zur falschen Zeit am falschen Ort: auf dem sogenannten "Fußballfeld" auf rund 5700 Metern, einer relativ flachen Passage des gefährlichen Khumbu-Eisbruchs, auf halbem Weg zwischen dem Basislager zu Füßen des Mount Everest und Lager 1 auf knapp 6000 Metern. Die drei Sherpas, die für den kommerziellen Expeditionsanbieter "Imagine Nepal" Material ins Hochlager tragen sollten, passierten die Stelle in dem Moment, als dort eine Eislawine niederging. Offenbar war ein Serac, ein riesiger Eisturm, zusammengebrochen.

Rettungskräfte, die später mit dem Hubschrauber abgesetzt wurden, berichteten, auf einer Länge von rund 50 Metern lägen meterhohe Eisblöcke auf der Route. Von den drei nepalesischen Bergsteigern fehlt noch jede Spur, sie wurden für tot erklärt.

Bergroute erst sechs Tage vor dem Unglück freigegeben

Die drei Sherpas sind die ersten Toten der Frühlingsklettersaison am höchsten Berg der Erde. Und das bereits, bevor diese überhaupt richtig losgegangen ist. Hunderte von Bergsteigerinnen und Bergsteigern sind noch gar nicht im Basislager eingetroffen, sondern akklimatisieren sich derzeit in der Region für den Aufstieg auf den Everest. Erst am 6. April, sechs Tage vor dem Unglück, hatten die acht "Icefall Doctors" die mit Leitern und Seilen gesicherte Route durch das Eislabyrinth freigegeben.

2500 bis 3000 Dollar pro Saison verdienen die für die gefährliche Arbeit im Eisbruch spezialisierten Sherpas. Ausgewählt und bezahlt werden sie vom Sagarmatha Pollution Control Commitee (SPCC), einer Organisation, die sich ursprünglich nur um den Umweltschutz im Everest-Nationalpark kümmerte. Seit 1997 ist das SPCC im Auftrag der Regierung Nepals auch für die Route durch den Khumbu-Eisbruch zuständig. Jedes Mitglied der vielen kommerziellen Everest-Expeditionen muss für die Arbeit der Icefall Doctors 600 Dollar an das SPCC zahlen.

Jubiläumsjahr 2023: 70 Jahre Erstbesteigung des Mount Everest

Doch das ist nur ein kleiner Posten auf den Rechnungen der Gipfelanwärterinnen und -anwärter. Die meisten zahlen für eine Everest-Besteigung aktuell zwischen 50.000 und 60.000 Dollar. Für die Luxusversion einer Expedition - mit allen erdenklichen Annehmlichkeiten im Basislager, mehreren persönlichen Sherpas und einer "Flatrate" an Flaschensauerstoff - können jedoch auch bis zu 160.000 Dollar fällig werden.

Bislang hat das nepalesische Tourismusministerium für den Mount Everest in diesem Frühjahr rund 250 Besteigungsgenehmigungen, sogenannte Permits, zum Preis von je 11.000 Dollar an ausländische Bergsteigerinnen und Bergsteiger ausgestellt. Viele erwarten, dass in diesem Jahr die Rekordmarke von 408 Permits aus dem Jahr 2021 überboten wird. Schließlich jährt sich zum 70. Mal der Tag der Erstbesteigung des Mount Everest, das verspricht für die Gipfelkandidatinnen und -kandidaten noch mehr Aufmerksamkeit als ohnehin schon. Am 29. Mai 1953 hatten der Neuseeländer Edmund Hillary und der Nepalese Tenzing Norgay als erste Menschen den höchsten Punkt der Erde erreicht.

Erst 2024 Rückkehr auf Everest-Nordseite

Für Nepal, ein Land mit chronisch klammen Kassen, ist der Bergtourismus eine der Haupteinnahmequellen. Im Gebiet rund um den Mount Everest leben so gut wie alle Menschen direkt oder indirekt davon, etwa als Berg- oder Trekkingführer, Träger oder Lodge-Besitzer. Vor der Corona-Pandemie hatte sich Nepal das Geschäft der Everest-Expeditionen mit China teilen müssen. Etwa ein Drittel der inzwischen mehr als 10.000 Besteigungen in den vergangenen 70 Jahren erfolgte über die tibetische Nordseite des Bergs.

Die tibetische Nordseite des Mount Everest im Sonnenuntergang
Die tibetische Nordseite des Mount Everest war in den vergangenen drei Jahren für Ausländer gesperrtBild: picture alliance/dpa/XinHua

Doch als sich 2020 das COVID-19-Virus von China aus weltweit ausbreitete, sperrten die chinesisch-tibetischen Behörden alle Berge für ausländische Expeditionen. Erst vor wenigen Tagen durfte erstmals wieder ein Team eines nepalesischen Expeditionsanbieters nach Tibet einreisen, um sich dort an den Achttausendern Shishapangma und Cho Oyu zu versuchen. Für die Organisatoren der Everest-Expeditionen kam das grüne Licht aus China für diese Saison zu spät. Erst im Frühjahr 2024 wollen einige Anbieter wieder auf die Nordseite zurückkehren.

Everest-Besteigung gleicht russischem Roulette

Mehr als 300 Menschen verloren bislang am Mount Everest ihr Leben, etwa jeder siebte davon im Khumbu-Eisbruch. Die Passage oberhalb des Basislagers ist jene auf der Normalroute mit den höchsten objektiven Gefahren. Der Gletscher ist ständig in Bewegung, jederzeit kann einer der großen Eistürme zusammenbrechen oder sich eine neue Spalte öffnen. Zudem droht an der Everest-Westflanke über dem Eisbruch ein mächtiger Hängegletscher. Im April 2016 löste sich von dort eine Eislawine und begrub 16 nepalesische Bergsteiger unter sich, es war das bislang schwerste Unglück im Khumbu-Eisbruch. Damals weigerten sich die Sherpas, erneut aufzusteigen, die Saison endete vorzeitig.

Bergsteiger unterwegs im Labyrinth des Khumbu-Eisbruchs
Bergsteiger unterwegs im Labyrinth des Khumbu-EisbruchsBild: P. Tu Sherpa/M. Bogati/Zuma/picture alliance

Das soll im Everest-Jubiläumsjahr 2023 nicht geschehen. Ein Vertreter des nepalesischen Tourismusministeriums sagte, die Arbeiten an der Route gingen weiter. Die Icefall Doctors werden nun den Weg wieder instand setzen. "Der Khumbu-Eisbruch ist Paradies und Hölle zugleich", schrieb der Kanadier Gabriel Filippi, der den Mount Everest von beiden Seiten bestiegen hat, nach dem Unglück auf Facebook. "Jedes Mal, wenn wir auf- oder absteigen, spielen wir Russisches Roulette."

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter