Türkei ignoriert Frist zu Kavalas Freilassung
18. Januar 2022Ein Gericht in Istanbul lehnte einen Antrag der Verteidiger Kavalas auf Haftentlassung ab. Es setzte eine neue Anhörung für den 21. Februar fest. Der Fall belastet damit weiter die Beziehungen der Türkei mit seinen westlichen Verbündeten.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch nannte die Entscheidung des Gerichts "sehr enttäuschend". Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg, warf der Türkei vor, mit der Inhaftierung Kavalas "seit Jahren gegen ihre Verpflichtungen aus der Europäischen Menschenrechtskonvention" zu verstoßen. Menschenrechtsgruppen haben wiederholt erklärt, der Fall sei politisch motiviert und Teil eines harten Vorgehens gegen Andersdenkende unter Präsident Recep Tayyip Erdogan. Die Regierung in Ankara wies diese Darstellung zurück und versicherte, die türkischen Gerichte seien unabhängig.
Vier Jahre Haft ohne Urteil
Kavala sitzt bereits seit mehr als vier Jahren ohne Verurteilung in Haft. Der 64-jährige Geschäftsmann war ursprünglich wegen des Vorwurfs festgenommen worden, die gegen die Regierung von Erdogan gerichteten Gezi-Proteste in Istanbul im Jahr 2013 finanziert und organisiert zu haben.
Im Februar 2020 sprach ein Gericht ihn von diesem Vorwurf frei, er wurde aus der Haft entlassen, jedoch wenige Stunden später erneut festgenommen - diesmal im Zusammenhang mit dem Putschversuch gegen Erdogan im Jahr 2016 und wegen Spionagevorwürfen. Kavala weist Erdogans Vorwürfe als Verleumdung zurück und spricht von "einem Angriff auf die Menschenwürde".
Ultimatum des Europarats
Im Oktober forderten zehn westliche Staaten, darunter die USA und mehrere europäische Staaten, dass die Türkei Kavala freilassen sollte. Der Europarat setzte der Türkei dann im Dezember eine Frist, Kavala bis zum Mittwoch freizulassen oder "in knapper Form" eine Begründung für seine Inhaftierung vorzulegen. Die Organisation erklärte weiter, sie bereite Vertragsverletzungsverfahren gegen die Türkei wegen der Nichtfreilassung Kavalas vor. Diese könnte zu einer Aussetzung der Mitgliedschaft Ankaras im Europarat führen. Da die Türkei sich nicht an die Frist halten will, dürfte der Europarat den Fall nun am 2. Februar dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorlegen.
Das Außenministerium in Ankara erklärte, das Vorgehen des Europarats sei eine "Einmischung" in ein noch laufendes Verfahren. Kritiker der türkischen Regierung weisen jedoch darauf hin, dass hier nur ein Teilaspekt der Zerrüttung der Menschenrechte unter der Herrschaft Erdogans zu Tage trete.
In der vergangenen Woche hatte Human Rights Watch erklärt, Erdogan habe die Menschenrechtsbilanz seines Landes um "Jahrzehnte" zurückgeworfen, indem er die Unabhängigkeit der Gerichte untergrabe und seine Kritiker verfolge.
kle/wa (afp, rtr, ap)