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Türkei muss weiter warten

Klaus Dahmann, Kopenhagen13. Dezember 2002

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben den Weg für Beitrittsverhandlungen mit der Türkei geebnet. Danach könnte ab Ende 2004 über einen Beitritt verhandelt werden, falls Ankara bis dann die Kriterien erfüllt.

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Europäische Union - das heißt für die Türkei seit Jahrzehnten: "Warten auf Godot" (also lange warten, aber vergeblich). Kein anderer beitrittswiliger Staat hat so lange vor geschlossener Pforte stehen müssen. Kein anderes Land wurde je als Beitrittskandidat ohne Beitrittsverhandlungen zwischengelagert. Denn auch gegen keinen anderen in der Warteschlange hat es so große Bedenken gegeben: Zu Recht wurden immer wieder Verstöße gegen die Menschenrechte und die katastrophale Wirtschaftslage angeführt. Einige gehen sogar weiter: Das Land am Bosporus gehöre doch weder kultur-historisch noch geographisch zu Europa - so tönen CSU-Chef Edmund Stoiber und EU-Konventspräsident Valéry Giscard d'Estaing noch heute.

Doch da, plötzlich, - so schien es zumindest - ein Licht am Horizont: Kurz vor dem Kopenhagener Gipfel senkte sich die Waagschale zu Gunsten Ankaras. Hineingeworfen in diese Waagschale hatten sich die Schwergewichte Deutschland und Frankreich, andere EU-Länder gesellten sich dazu.

Was aber letztlich beschlossen wurde, ist, bei näherem Betrachten, eine erneute Ohrfeige: Wäre es bei dem deutsch-französischen Vorschlag geblieben, dann hätte die Türkei nicht nur einen Termin für eine Überprüfung auf EU-Tauglichkeit - 2004 -, sondern auch ein konkretes Datum zur Aufnahme der Beitrittsverhandlungen - Mitte 2005. So aber steht nur fest, dass Ende 2004 geprüft wird. Zum möglichen Beginn von Verhandlungen heißt es schön EU-diplomatisch: "so früh wie möglich". Im Klartext: das kann dann noch einige Jahre dauern. Kein Zufall, dass Gerhard Schröder jede seiner Aussagen über die Beitrittsperspektiven der Türkei inzwischen mit dem Zusatz "lang, sehr lang" schmückt.

Warum auch der deutsche Kanzler zurückrudert, ist offensichtlich: Jüngste Umfragen in der Heimat zeigen, dass immer noch mehr Deutsche gegen einen EU-Beitritt der Türkei sind als dafür. Und Landtagswahlen stehen vor der Tür. Unmut gegen die rot-grüne Bundesregierung gibt es schon genug - da braucht es kein neues Thema, mit dem die Opposition gegen ihn Stimmung machen kann. Ohnehin muss er nach seiner Rückkehr aus Kopenhagen Rede und Antwort stehen, warum er bei der Finanzierung der EU-Agrar-Beihilfen nachgegeben und neue Milliarden locker gemacht hat - wo es doch ohnehin mehr als genug Löcher im Bundeshaushalt zu stopfen gibt. Nicht das erste Mal, dass Innenpolitik die EU-Politik dominiert.

Was heißt das nun für die Türkei? Bitte erst einmal freuen. Trotz der neuen Ohrfeige sollte die junge Regierung in Ankara weiter machen, wie sie begonnen hat: Reformen, Reformen, Reformen. Letztlich werden sachliche Argumente - also eine überzeugende Annäherung an EU-Standards - entscheidend sein.

Aber auch die EU der 25 ist gefordert: Eine offene Türkei-Debatte hat erst in den letzten Tagen und nur in den alten Mitgliedsländern begonnen. Wenn die Regierungen eine Mitgliedschaft der Türken ernsthaft befürworten, dann müssen sie das ihren Bürgern plausibel machen. Und da gibt es bis 2004 viel zu tun. Sonst wird das "positive Signal" - wie es der dänische Ratspräsident Anders Fogh Rasmussen formulierte - nur ein Signal bleiben.