Türkei weist Folter-Vorwürfe zurück
12. Mai 2019Die Vorwürfe des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel, der unter anderem für die deutsche Tageszeitung "Die Welt" arbeitet, seien in der Vergangenheit bereits von dem zuständigen Staatsanwaltschaftsbüro untersucht worden. Das entschieden habe, die Sache nicht weiter zu verfolgen, hieß es in einer Stellungnahme des türkischen Ministeriumssprechers Hami Aksoy. Seit 2003 gelte das Prinzip von "null Toleranz gegenüber Folter". Die gegenstandslosen Anschuldigungen zielten darauf ab, die Türkei schlechtzumachen.
Foltervorwürfe gegen Erdogan
Yücel hatte am Freitag in dem von der türkischen Justiz gegen ihn angestrengten Prozess ausgesagt, dass er während seiner Haftzeit in der Türkei gefoltert worden sei. Der Journalist machte dafür vor dem Amtsgericht in Berlin Präsident Recep Tayyip Erdogan verantwortlich. In der schriftlichen Fassung der Aussage erwähnt Yücel Schläge, Tritte, Erniedrigungen und Drohungen durch Vollzugsbeamte in seinen ersten Tagen im Hochsicherheitsgefängnis Silivri bei Istanbul.
Das Auswärtige Amt hatte daraufhin die Regierung in Ankara aufgefordert, sich an die Anti-Folterkonvention der Vereinten Nationen zu halten. "Wir verurteilen jede Form von Folter und Misshandlung, sie stehen außerhalb des Rechts", sagte eine Sprecherin, ohne konkret auf die Foltervorwürfe Yücels einzugehen. Sie forderte die türkische Regierung aber "mit Nachdruck" dazu auf, "sich an die internationalen Standards zu halten, zu denen sie sich selbst verpflichtet hat". Dazu gehörten neben der UN-Konvention auch Verpflichtungen des Europarats zur Verhütung von Folter.
Die Stellungnahme aus dem deutschen Außenministerium sei völlig unbegründet, hieß es in der Erklärung aus Ankara. Alle Orte in der Türkei, wo Menschen ihre Freiheit genommen sei, könnten "durch internationale Mechanismen überprüft" werden.
"Wohin steuert die Türkei?"
Unterdessen wurde der türkische Kolumnist Yavuz Selim Demirag Opfer eines brutalen Angriffs. Er war am Freitag vor seiner Haustür in Ankara von mehreren Personen mit Baseballschlägern attackiert worden. Er sei mit Verletzungen am Kopf und Körper im Krankenhaus behandelt worden. Der Hintergrund der Tat war zunächst unklar. Doch der Angriff ereignete sich nach einer von Demirag moderierten Fernsehsendung, in der es zuletzt auch um die Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul ging.
Die Verdächtigen würden in der Hauptstadt Ankara verhört, meldete Demirags Zeitung, das nationalistische Blatt "Yenicag". Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu und die Chefin der nationalkonservativen Iyi-Partei, Meral Aksener, verurteilten den Angriff scharf. "Wie kann ein Journalist fast zu Tode verprügelt werden, nur weil er im Fernsehen zu sehen war, seine Meinungen geäußert und jemanden kritisiert hat?", sagte Kilicdaroglu. "Wohin steuert die Türkei?" Aksener schrieb auf Twitter: "Dieser feige Angriff ist gegen die Pressefreiheit und unsere Meinungsfreiheit gerichtet."
Die national-konservative Partei Iyi, die Journalist Demirag unterstützt, ist Teil einer oppositionellen Allianz mehrerer Parteien. Auch der Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu gehört ihr an. Er hatte die Bürgermeisterwahl in Istanbul am 31. März knapp gewonnen. Die Hohe Wahlkommission erklärte die Abstimmung jedoch für ungültig und setzte eine Neuwahl für den 23. Juni an.
Erdogan wehrt sich
Das US-Außenministerium hatte die Vorgänge um die Wahl in Istanbul kritisiert. "Wir bitten die türkischen Behörden dringend, diese Wahl gesetzesgemäß auszuführen und in einer Weise, die übereinstimmt mit ihren Verpflichtungen in der OSZE, ihrem Status als NATO-Mitglied und ihrem Bestreben, Mitglied der EU zu werden", hieß es in einer Note des US-Außenministeriums. Freie und faire Wahlen und die Akzeptanz legitimer Wahlresultate seien unerlässlich für jede Demokratie.
Zahlreiche westliche Politiker und internationale Organisationen hatten die Entscheidung zur Annullierung des Wahlergebnisses in der Metropole Istanbul kritisiert und bedauert. Der türkische Präsident Erdogan wies jegliche internationale Kritik zurück. "So Gott will, werden sich unsere Leute diesen Drohungen, dieser Sprache des Drucks, nicht beugen", sagte er in einer Fernsehansprache. "Wer versucht hat, das gewählte Staatsoberhaupt Venezuelas zu stürzen, kann nicht mit uns über Demokratie reden", sagte er in Richtung der Regierung in Washington. Mit Blick auf die Situation im Nahen Osten fügte Erdogan hinzu, wer nichts gegen den "israelischen Terror" unternehme, dürfe auch "nichts über unseren Kampf für unsere Rechte sagen".
pgr/sti (dpa, ap, afp)