Türkei: Wir warten nicht mit Kurden-Offensive
10. Januar 2019Die Türkei will mit einem Militärschlag gegen syrische Kurden nicht länger warten. Sein Land werde über den Zeitplan entscheiden und "niemanden um Erlaubnis bitten", sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu (Artikelbild) dem Nachrichtensender NTV. Auch wenn sich der angekündigte Abzug der US-Truppen verzögere, werde Ankara seine Pläne umsetzen. Zugleich warf Cavusoglu Mitgliedern der US-Regierung vor, den Truppenrückzug zu torpedieren.
Hintergrund des Streits ist eine gegensätzliche Bewertung der Kurdenmiliz YPG. Für die USA sind die Volksverteidigungseinheiten, wie sie sich selbst bezeichnen, wichtige Verbündete im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Die Türkei dagegen betrachtet auch die Angehörigen der YPG als Terroristen - wegen ihrer Nähe zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Forderungen aus Washington nach einer Schutzgarantie für die syrischen Kurden weist Ankara entschieden zurück.
"Kurden nicht abschlachten"
US-Außenminister Mike Pompeo hatte vor einer Woche der konservativen Website Newsmax gesagt, die Vereinigten Staaten setzten sich dafür ein, "dass die Türken die Kurden nicht abschlachten". Das türkische Außenministerium hatte diese Aussage empört zurückgewiesen.
US-Präsident Donald Trump hatte vor Weihnachten überraschend verkündet, sämtliche amerikanischen Truppen aus Syrien abzuziehen. Der Nationale Sicherheitsberater John Bolton knüpfte dies später an die Bedingung, dass die Sicherheit der kurdischen Verbündeten in Syrien garantiert werde und der IS nicht wieder erstarken könne. US-Außenminister Mike Pompeo bekräftigte bei einem Besuch in Ägypten, im Kampf gegen den IS und Al-Kaida blieben die Vereinigten Staaten ein verlässlicher Partner in der Region: "Ihr werdet diese Schlachten nicht allein austragen."
Ankara erbittet umfangreiche Militärhilfe
Hinter den Kulissen bat die Türkei unterdessen um Hilfe der USA für Luftangriffe, Transporte und Logistik im Kampf gegen den IS. "Die türkischen Anfragen sind so umfangreich, dass, wenn sie voll erfüllt würden, das US-Militär seine Einbindung in Syrien vertiefen statt reduzieren würde", hieß es in einem Bericht des "Wall Street Journals" vom Wochenende. Die Zeitung berief sich dabei auf hohe ungenannte Regierungsquellen.
Im Nordwesten Syriens sind derweil Islamisten wieder auf dem Vormarsch. Nach mehrtägigen Kämpfen übernahm die Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) die Kontrolle über das letzte große Rebellengebiet des Landes. Die Region um Idlib wird einer sogenannten Rettungsregierung unterstellt, die eng mit der HTS verbunden ist. Diese wiederum steht der Terrororganisation Al-Kaida nahe.
Die jüngste Entwicklung stellt auch die entmilitarisierte Pufferzone in Frage, auf die sich die Türkei und Russland im vergangenen Jahr geeinigt hatten. Während Moskau die wichtigste Schutzmacht des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad ist, unterstützt Ankara die NLF-Rebellen, die nun der gegnerischen HTS-Miliz in der Region Idlib unterlagen.
jj/mak (dpa, afp, rtr)