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Türkisch für Afrika

António Cascais1. Juni 2016

Der türkische Präsident Erdogan baut sein Land weiter zu einem bedeutenden Akteur auf dem afrikanischen Kontinent auf. Zurzeit bereist Erdogan Uganda und Kenia. Was steckt hinter dem türkischen Engagement in Afrika?

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Bild: Getty Images/AFP/P. Busomoke

Es ist eine immense Delegation, die Präsident Erdogan im Schlepptau hat. Hunderte Wirtschaftsvertreter seien mit ihm auf der Reise, um alle Möglichkeiten auszuloten, wie man die Geschäftsbeziehungen von Uganda und Kenia mit der Türkei weiter ausbauen könnte. Das Treffen Erdogans mit seinem ugandischen Amtskollegen Yoweri Museveni sei sogar von "historischer" Bedeutung: Es sei der erste offizielle Besuch eines türkischen Präsidenten in Uganda. Insgesamt gibt man sich von türkischer Seite selbstbewusst: "Die politischen Arbeitsbesuche des Präsidenten in Afrika nehmen Fahrt auf" heißt es auf der Interneteite der Pressestelle des türkischen Präsidenten.

Nicht nur wirtschaftliches Interesse

Das türkische Engagement in Afrika sei nicht neu, betont Christian Johannes Henrich, Leiter des Siegener Forschungszentrums Südosteuropa und Kaukasus, im Gespräch mit der DW. Bereits 1998 - also noch vier Jahre vor dem Aufstieg Erdogans und seiner Partei AKP - habe die Annäherung unter Ministerpräsidenten Mesut Yilmaz begonnen. "Schon damals hatte die Türkei eine Afrika-Agenda, die aber aufgrund interner Probleme nicht vollständig umgesetzt wurde. Man hatte erkannt, dass es in Subsahara-Afrika Wirtschaftswachstum gab."

Diese Ideen habe Erdogan aufgegriffen, aber mit einem entscheidenden Unterschied zu seinen Vorgängern: "Unter Erdogan steckt mehr dahinter, als rein wirtschaftliche Ambitionen. Man konzentriert sich sehr stark auf die Länder Afrikas mit sunnitischen Religions- oder Bevölkerungsanteil."

Erdogans religiöse Agenda

Uganda und Kenia - beides Länder mit einem wachsenden sunnitisch-islamischen Bevölkerungsanteil - spielten in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle, unterstreicht Christian Johannes Henrich.

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Es sei ein großer Fehler, dass die Europäische Union ihre Gelder zur Unterstützung afrikanischer Truppen in Somalia zurückfahre, sagte der türkische Präsident Erdogan bei seinem Besuch in Kampala, UgandaBild: Getty Images/AFP/P. Busomoke

Auch der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul, Kristian Brakel, ist überzeugt, dass Erdogan in Afrika durchaus auch religiöse Absichten verfolge. Das ließe sich am Beispiel Somalias belegen. Erdogan betont immer wieder wie "modellhaft" die türkische Zusammenarbeit mit dem 'failed state' laufe. "Er hat in Somalia gesagt: Der Westen hat euch fallen gelassen und jetzt zeigt die Türkei, dass man da was machen kann. Wir können uns in diesem Land bewegen, denn wir sind auch Muslime und wir verstehen das Land viel besser." Erst kürzlich errichtete das türkische Militär einen Stützpunkt in Somalia, in dem Regierungstruppen ausgebildet werden.

Partner auf Augenhöhe oder neo-osmanischer Kolonialist?

Mit der außenpolitischen Offensive gegenüber Afrika sollen die regionalen Machtinteressen der Türkei auf globaler Ebene abgesichert werden. In Afrika tritt die Türkei damit in direkte Konkurrenz zu anderen aufstrebenden Mächten wie Brasilien, Indien und China. Noch gehe es ihr weniger um afrikanische Rohstoffe als um Stimmen bei den Vereinten Nationen, meint Christian Johannes Henrich vom Forschungszentrum Südosteuropa und Kaukausus. Erdogan und seine AKP-Regierung strebten vor allem eine aktivere Rolle in der Weltpolitik an, eine Politik, die immer wieder kritisch als "Neo-Osmanismus" interpretiert werde. "Ich habe die Sorge, dass die Türkei quasi auf dem alten osmanischen Gebiet, aber jetzt eben auch mit Ausstrahlung nach Afrika, eine moralische Schutzmachtfunktion wahrnehmen will. Meiner Meinung nach will die Türkei in jeder Region eine Hegemonialposition erreichen."

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Bei den bilateralen Gespräche zwischen Erdogan (re.) und Museveni ging es um Kooperations-Abkommen in den Bereichen Tourismus, Verteidigung, Immigration und BildungBild: picture-alliance/AA/K. Ozer

"Erdogan nimmt gern Bezug auf eine imaginierte osmanische Vergangenheit", pflichtet Kristian Brakel, der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul, bei. "Aber in Südsahara-Afrika war die osmanische Präsenz relativ marginal und weder von großer Dauer, noch von Erfolg gekrönt. Ich glaube, das ist eher der Kitt, der die wahren Interessen überdeckt.“ Brakel vermutet, der Türkei gehe es vor allem um die eigenen wirtschaftlichen Interessen.

Demokratie und Bürgerrechte spielen keine Rolle

Während Erdogan in der Türkei und darüber hinaus Kritiker und Satiriker mit Gerichtsprozessen überzieht, gibt das wenig Anlass zur Hoffnung, er werde Langzeit-Präsident Yoweri Museveni bei seinem Besuch beim Thema Meinungsfreiheit und Menschenrechte ins Gewissen reden.

"Die Türkei ist nicht in erster Linie an einen Export von Werten nach Afrika interessiert, weder im Positiven noch im Negativen", sagt Brakel. Museveni oder Kenyatta müssten weder befürchten, für eine zu freie Presse kritisiert zu werden, noch dass Erdogan sich nach den Bürgerrechten erkundigen würde.

Der kenianische Karikaturist Gado drückt es in einem Cartoon für die DW so aus: Erdogans Ankunft auf dem afrikanischen Kontinent als "neo-osmanischer Führer" mit Turban. Der bringt bittere Gastgeschenke mit: Verfolgte Journalisten, Oppositionelle und Angehörige der Zivilgesellschaft.

Copyright: DW/Gado

Die Türkei wird weiter versuchen, ihre Rolle auf dem afrikanischen Kontinent zu stärken - fast unbemerkt während die weltweite Aufmerksamkeit auf den Krieg in Syrien und die anhaltende Flüchtlingskrise gerichtet ist.

Und einiges hat die Türkei bereits erreicht: Die türkischen Botschaften auf dem afrikanischen Kontinent wurden seit 2002 mehr als verdoppelt auf aktuell über 20, davon 15 in Subsahara-Afrika. Und auch das Handelsvolumen zwischen der Türkei und afrikanischen Staaten hat sich in dieser Zeit bereits versechsfacht.