Auf den Spuren von Udo Lindenberg
17. Mai 2016Deutschlands dienstältester Rockmusiker kommt aus Gronau, einer kleinen Stadt im Münsterland, nahe der holländischen Grenze. Die Gronauer sind so stolz auf ihren berühmten Sohn, dass sie nicht nur einen ganzen Platz nach ihm benannt, sondern auch eine überlebensgroße Statue aufgestellt haben. Nicht vielen bekannten Persönlichkeiten wird solche Ehre schon zu Lebzeiten zuteil. Dass Udo jedoch was ganz Besonderes ist, wissen nicht nur die Gronauer, sondern auch die vielen hunderttausend Fans, die dem Rockmusiker von frühester Jugend an die Treue gehalten haben. Einer von ihnen ist Michael König, genannt "King". An einem Sonntag im Mai schlendern wir durch Udos Geburtsstadt und besuchen die Hotspots. Wir starten am rock'n'popmuseum, direkt am Udo-Lindenberg-Platz.
Michael erzählt von seiner ersten - akustischen - Begegnung mit seinem Idol. Gerade mal sieben Jahre alt sei er gewesen, als er im Radio einen Song von Udo gehört habe. Er wollte sofort mehr davon. Sein Vater kannte eine ehemalige Schulfreundin von Udo, die alle Platten, auch die Raritäten, von ihm hatte. Tatsächlich lieh sie dem kleinen Michael die kostbaren Scheiben. Er nahm die komplette Sammlung auf Kassetten auf. "Ich habe nichts anderes gehört. Nur Udo Lindenberg. Bei meinen Freunden und Bekannten hieß ich irgendwann nur noch 'Udo Hochmoor' - so heißt das Dorf aus dem ich komme."
Bloß raus aus der Provinz
Wir stehen vor Udos Elternhaus. Gartenstraße 3. Neben dem Eingang ist eine goldene Plakette angebracht. "Panik Präsident", steht drauf, unter dem Schriftzug ein Hut, sein Schattenriss mit Zigarre. Gestiftet von der Berliner Panik-Gemeinde. Das Haus: unscheinbar, eben ein ganz normales Einfamilienhaus in einer Kleinstadt. Hier lebte Udo mit den Eltern, die einen Installationsbetrieb hatten, und seinen drei Geschwistern. Das Kleinstadtleben hat Udo schon als Kind nicht gefallen, im Elternhaus herrschte eine eher lieblose Atmosphäre, der Vater war dem Schnaps mehr zugetan als seinen Kindern. Udo begann zu trommeln. Auf Blechkisten, hinten im Hof. Später wurde mit Kumpels gesoffen, geraucht, Blödsinn gemacht - was man eben als Jugendlicher so macht, dem der Kleinstadthimmel auf den Kopf fällt.
Udo wollte raus. In seinem Song "Mit dem Sakko nach Monaco" gibt es die Zeile: "Die beste Straße unserer Stadt, die führt aus ihr hinaus." Wir verlassen das unscheinbare Haus, gehen zurück auf die Hauptstraße, die Richtung Münster führt. "Hier hat Udo mit Sicherheit tausendmal gestanden, wenn er aus Gronau rausgetrampt ist", erklärt Michael und stellt sich am Straßenrand in Position.
Treffen am TresenNatürlich hat Michael seinen Star auch schon getroffen. Am Rande eines Auftritts in Münster begegnete er ihm zum ersten Mal. Es war die Zeit, in der Udo in einer Krise steckte, die Zeit vor seinem großen Comeback.
"Er saß alleine mit einer Freundin an der Bar", erzählt Michael. "Mein Kumpel und ich waren ganz aufgeregt und überlegten, wie wir jetzt an ihn rankommen könnten, ohne aufdringlich zu sein." Sie bestellten den besten Whisky, den es in der Bar gab, "für den Herrn mit Hut da hinten". Udo bedankte sich mit einem "Teleprost", blieb aber sitzen, bis seine Begleitung ging. Dann kam er rüber. "Er saß zwischen uns und wir haben einfach gequatscht. Dann hat er mir ein Buch signiert, 'für King' sollte er schreiben. Seitdem bilde ich mir ein, dass ich ihn vielleicht zu dieser einen Zeile in dem Lied 'Mein Ding" inspiriert habe, wo es heißt 'Die Mode kam, die Mode ging, und man war immer noch der King'."
Ein paarmal sind Udo und sein Fan "King" sich begegnet. "Das ist gar nicht so schwer", sagt Michael. "Man muss das Gespür dafür haben, wo er sich jetzt gerade rumtreiben könnte. Und wenn man ihn dann tatsächlich trifft, dann unterhält er sich auch mit einem. Egal, wie berühmt er jetzt ist, er ist immer sehr nah bei seinen Fans."
Denkmal für eine lebende Legende
Wir passieren die ehemalige Kneipe "Piepenpohlschänke". Nun ist ein Friseurladen in den Räumen. Weil Sonntag ist, können wir nicht rein. Aber durchs Fenster kann man die Zeichnung an der Wand sehen. Udo hat den Friseursalon mal kurz mit einem "Udogramm" versehen, als er vorbeikam.
Ein paar Meter weiter kommt ein Kreisverkehr, umringt von Autohäusern. Und dann stehen wir vor der Bronzestatue. Überlebensgroß, gewaltig. Udo streckt mit Ausfallschritt seine Hand mit dem Mikrofon in die Luft. Fans haben ihm die Statue gewidmet, die Stadt Gronau hat mitgemacht. Vor genau einem Jahr, einen Tag vor seinem 69. Geburtstag, hat Udo sein eigenes Denkmal enthüllt. "Das ist die Freiheitsstatue von Gronau", hat er damals gesagt. Er gab für 2500 angereiste Fans ein Konzert vor einem der Autohäuser. Michael war natürlich dabei - er wohnt inzwischen in Münster, das nur ein paar Minuten Autofahrt entfernt liegt. "Das war natürlich grandios", schwärmt er, springt auf den Sockel des Denkmals und zündet sich eine Zigarre an.
Für Michael ist Udo der deutsche Lemmy. Wie der verstorbene Motörhead-Frontmann sei Udo stets ein Rockstar und kompromissloser Verfechter der eigenen Linie geblieben. Beide haben sich nie um Konventionen geschert, sind sich immer treu geblieben. Bei Udo wäre es beinah schief gegangen, für fast zwei Jahrzehnte war er so gut wie weg vom Fenster und wurde als seine eigene Karikatur bezeichnet. Seit gut acht Jahren aber ist das vorbei. Sein neues Album "Stärker als die Zeit" ist sofort an die Chartspitze geschossen. Michael wünscht sich für Udo, dass er noch lange Musik macht - so gut wie heute sei er noch nie gewesen - und dass er irgendwann einfach mal tot von der Bühne fällt. Wie es sich für einen Rockstar gehört.
Das rock'n'popmuseum Gronau ehrt Udo mit einer gewaltigen Glückwunschkarte, auf der alle Fans und Besucher des Museums ihren Gruß hinterlassen können. "King" macht es per Videobotschaft, mit Hut und Zigarre. Zum Schluss der Tour gibt's noch eine Runde Eierlikör.