Digitale Besatzungsmacht
10. Dezember 2013DW: Sie haben in Washington Gespräche mit dem Kongress und der Obama-Administration geführt. Hauptthema war die NSA und der Abhörskandal. Was war Ihre Botschaft an die amerikanischen Gesprächspartner?
Hans-Peter Uhl: Die Botschaft ist relativ einfach. Auf der einen Seite müssen wir mit den amerikanischen Diensten den Terror bekämpfen. Das tun wir seit Jahren erfolgreich und wollen und müssen das auch weiter tun. Auf der anderen Seite, und das muss man in Amerika noch lernen, ist Datenschutz ein Thema - für die Bürger, aber auch für die Wirtschaft und den Staat als Ganzes. Wir können nicht dulden, dass eine amerikanische digitale Besatzungsmacht in Deutschland regiert.
Haben Sie den Eindruck, dass die Botschaft der Bundeskanzlerin, die ja schon vor Wochen deutliche Verärgerung geäußert hat, hier bei den Parlamentariern und der Regierung angekommen ist?
Das würde mich wundern, wenn die angekommen ist. Die Betroffenheit hier ist eine andere. Die Daten von Ausländern sind nicht von besonderer Bedeutung. Daher glaube ich, dass noch etwas dazukommen wird und schon dazugekommen ist. Die Frage ist: Wie schädlich ist das Verhalten der amerikanischen Nachrichtendienste für die amerikanische Wirtschaft? Der europäische und insbesondere der deutsche Markt ist von großer Bedeutung für Amerika. Gerade haben sich die großen IT-Anbieter der Amerikaner von Google über Microsoft bis Yahoo zusammengeschlossen in einem dringenden, warnenden Appell an die US-Administration: Hört auf damit! Ihr schadet unseren Interessen und damit den amerikanischen wirtschaftlichen Interessen. Die Botschaft kommt an.
Ist das auch Ihre Botschaft an die Deutschen: Macht einen Bogen um Yahoo und Google und nutzt einheimische Quellen?
Selbstverständlich kann ein amerikanisches Unternehmen, von dem wir wissen, dass es Daten an die NSA ausleitet, in Deutschland keinen staatlichen Auftrag bekommen, bei dem vertrauensvolle Kommunikation notwendig ist. Es ist nicht mehr möglich, derartige Aufträge an die Töchter von amerikanischen Konzernen zu vergeben.
Sie sprechen da offensichtlich auch eine Auftragsvergabe an Cisco an, ein internes sicherheitsgeschütztes Kommunikationssystem für die Bundeswehr zu schaffen. Man könnte sagen, man hätte da der NSA eigentlich gleich eine Kopie mit sicherheitsrelevanten Daten schicken können. Nun hat es Cisco in der Hand…..
…aber nicht mehr lange. Der Vertrag läuft im nächsten Jahr aus. Und es wird darüber nachgedacht, wie es weitergehen soll. So jedenfalls nicht mehr!
Wie soll es denn weitergehen? Was fordern Sie, um deutsche Daten, um die Privatssphäre deutscher Bürger gegenüber amerikanischen Firmen zu schützen?
Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Zum einen können die amerikanischen Firmen verpflichtet werden, dass die Daten nicht ausgeleitet werden. Und das kann von deutschen Experten auch überprüft werden. Zum zweiten wird es eine Kombination geben aus deutschen und amerikanischen Anbietern. Deutsche zertifizierende Behörden sollen dafür sorgen, dass die Daten in Deutschland bleiben.
Was haben Sie denn hierzu bisher von ihren amerikanischen Gesprächspartnern gehört?
Sie beginnen zu begreifen. Sie betonen immer wieder die Notwendigkeit der Datenbeschaffung aus Gründen der Terrorbekämpfung. Das ist unbestritten. Sie sehen aber nicht die Ungeheurlichkeit, das komplette Regierungshandeln zu überwachen und das Handy der Kanzlerin abzuhören. Das alles hat mit Terrorbekämpfung nichts zu tun.
Wir haben auch die Befürchtung, dass von amerikanischer Seite aus Wirtschaftsspionage betrieben wird. Hier werden die Amerikaner noch Probleme bekommen, wenn sie nicht einigermaßen nachweisen können, dass sie das zumindest versuchen, zu verhindern.
Kommen wir noch einmal zurück zu Ihrer Aussage, dass die tiefe Besorgnis der Kanzlerin hier nicht angekommen ist. Heißt das nicht auch, dass die Bundesregierung versagt hat, die deutschen Interessen, die der Menschen und ihrer Privatssphäre, hier wahrzunehmen?
Ich würde nicht von Versagen sprechen. Und doch war das, was Snowden uns hat an Information zukommen lassen, ein Weckruf an die deutsche Regierung.
Warum braucht eine deutsche Regierung diesen Weckrufe? Sie hat selbst Dienste, sie kennt das Geschäft der Geheimdienste. Ist das ein großes Versäumnis auf Seiten der Bundesregierung?
Ich glaube, wir waren alle zusammen in der Vergangenheit zu naiv im Umgang mit dem Thema. Es hieß immer, das sind unsere Verbündete, die tun so was nicht.
Kommen wir noch einmal zu Snowden. Wollen Sie ihn genauso vernehmen, wie es das Europäische Parlament vorhat?
Nein, das brauchen wir nicht. Er wird jetzt wohl durch eine Videokonferenz des Europäischen Parlaments vernommen. Snowden war nie Mitarbeiter der NSA, sondern externer Administrator. Allzuviel können wir von ihm ohnehin nicht erwarten. Im Übrigen hat er die entwendeten Daten auch falsch interpretiert. Herr Snowden weiß gar nicht soviel, was er uns mitteilen kann. Wir wollen ihn nicht nach Deutschland holen.
Sie wissen dann ja anscheinend viel mehr, als Mitglied des Innenausschusses und des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Trauen Sie sich zu, einen Überblick über das Ausmaß die Abhörtätigkeit und Sammelwut der NSA in Deutschland zu haben?
Das kann noch niemand wissen. Wir werden es in einigen Monaten genauer wissen. Jedenfalls kommen noch sehr viele für die USA unangenehme Informationen ans Tageslicht.
Haben Sie die Erwartung, dass künftige Vereinbarungen mit der NSA und der amerikanischen Regierung wirklich verlässlich sind? Oder heißt die Konsequenz nicht, dass die Deutschen sehr schnell und effektiv eigene Sicherheitssysteme aufbauen müssen?
Wenn das Vertrauen mal weg ist, ist es schwer, es zurückzubekommen. Es gibt ein deutsches Sprichwort: 'Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Und wenn er auch die Wahrheit spricht.' Und in der Lage ist jetzt die USA. Ich glaube, wir sollten in Deutschland die Souveränität auf dem Gebiet der IT zurück erlangen. Das kann Deutschland. Dazu ist es technologisch durchaus in der Lage. Das werden wir tun.
Hans-Peter Uhl ist innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion.