Angriff auf ukrainisches Bildungssystem
Veröffentlicht 29. August 2023Zuletzt aktualisiert 29. August 2023
Das Wichtigste in Kürze:
- Schulen sind weiter russische Angriffsziele
- Wagner-Chef Prigoschin ist beigesetzt
- Untersuchungshaft für deutsch-russischen Unternehmer
- Selenskyj kündigt Hochfahren der Waffenproduktion an
- Verteidigungsminister der Ukraine weist Korruptionsvorwürfe zurück
Mehr als 1300 Schulen sind in der Ukraine wegen des russischen Angriffskriegs bislang zerstört worden, wie das UN-Kinderhilfswerk UNICEF mitteilt. Die anhaltenden Angriffe Russlands führten zudem dazu, dass nur rund ein Drittel der schulpflichtigen Kinder regelmäßig in Präsenzunterricht gehen könne. Die Kinder hätten nicht nur Schwierigkeiten, in ihrer Bildung voranzukommen, sondern auch, das zu behalten, was sie gelernt hätten, führte UNICEF aus. Nach jüngsten Umfragedaten berichteten bis zu 57 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer von einer Verschlechterung der ukrainischen Sprachkenntnisse der Schüler. Bis zu 45 Prozent der Lehrer meldeten einen Rückgang der Mathematikkenntnisse, und bis zu 52 Prozent stellten einen Rückgang der Fremdsprachenfertigkeiten fest.
"Innerhalb der Ukraine gehen die Angriffe auf Schulen unvermindert weiter und lassen die Kinder tief verstört zurück, ohne einen sicheren Raum zum Lernen", erklärt UNICEF. Für Kinder, die mit ihren Familien ins Ausland geflohen seien, sei die Lage nicht viel besser. Mehr als die Hälfte in sieben Ländern registrierte ukrainische Kinder besuchten in ihrem Gastland keine Schule.
Gedenkfeier für Prigoschin
Der russische Söldnerführer Jewgeni Prigoschin ist nach Angaben seines Pressedienstes bereits in seiner Heimatstadt St.Petersburg beerdigt worden. Bei einer Trauerfeier im engsten Kreis ohne Öffentlichkeit sei von dem 62-Jährigen Abschied genommen worden, hieß es. Russlands Präsident Putin nahm an der Gedenkfeier nicht teil, erklärte der Kreml.
Interessenten, die sich nun auch von dem am Mittwoch bei einem Flugzeugabsturz getöteten Geschäftsmann verabschieden wollten, könnten dies auf dem Friedhof Porochowskoje tun, hieß es in Prigoschins Pressedienst. Beobachter erwarten, dass das Grab zu einer Pilgerstätte für Tausende Anhänger Prigoschins werden könnte.
Weitere US-Hilfe
Die USA kündigen weitere Militärhilfe für die Ukraine in Höhe von 250 Millionen Dollar an. Das Paket umfasse unter anderem zusätzliche Minenräumgeräte, Luftabwehr-Raketen, Artillerie-Geschosse und mehr als drei Millionen Schuss Kleinkalibermunition, teilte Außenminister Antony Blinken mit.
Untersuchungshaft für Deutsch-Russen
Ein deutsch-russischer Geschäftsmann sitzt wegen Verstößen gegen die bestehenden Russland-Sanktionen in Untersuchungshaft. "Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, mehrfach gewerbsmäßig gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen zu haben", teilte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit Verweis auf die Strafmaßnahmen der Europäischen Union gegen Russland mit. Der Verdächtige ist bereits seit März in U-Haft - wegen der besonderen Bedeutung übernahm nun die Karlsruher Anklagebehörde den Fall.
Der Beschuldigte soll als Geschäftsführer zweier von ihm im westdeutschen Bundesland Saarland gegründeten Unternehmen in 26 Fällen Elektronikbauteile an eine russische Firma geliefert haben, die militärisches Material und Zubehör produziert. Dazu gehört laut Bundesanwaltschaft die von den russischen Streitkräften in der Ukraine eingesetzte "Orlan 10"-Drohne. Die gelieferten Bauteile seien Bestandteil dieses Drohnentyps.
Um die Sanktionen zu umgehen, habe der Deutsch-Russe die Waren zunächst aus dem Ausland nach Deutschland importiert und dann über eine Firma in Baden-Württemberg nach Russland gebracht. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 seien die Bauteile unter anderem auch über Dubai und Litauen nach Russland gelangt.
Selenskyj will "maximale Waffenproduktion"
Nach mehr als eineinhalb Jahren Krieg hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine maximale Erhöhung der Waffenproduktion für den Kampf gegen die russische Invasion angekündigt. Neben Artilleriewaffen und Munition sollten auch Drohnen, Raketen und gepanzerte Fahrzeuge im Land hergestellt werden.
"Die Ukraine kann das. Die Finanzierung steht. Unsere Verteidigungsindustrie wird gute Ergebnisse bringen", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft. Die ukrainische Führung hatte immer wieder angekündigt, das Land zu einem der größten Waffenproduzenten zu machen.
Resnikow weist Korruptionsvorwürfe zurück
Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow hat neue Korruptionsvorwürfe gegen sein Haus zurückgewiesen. Er fordere alle auf, "kritischer und verantwortungsbewusster mit Informationen umzugehen", sagte Resnikow vor Journalisten.
Mehrere Medien hatten zuvor berichtet, das Verteidigungsministerium in Kiew habe Ende 2022 einen Vertrag mit einem türkischen Unternehmen über die Lieferung von Winteruniformen abgeschlossen, deren Preis sich nach Vertragsabschluss verdreifacht habe. Resnikow betonte, bei dem Uniformkauf sei alles "im Einklang mit dem Gesetz über die öffentliche Auftragsvergabe" und "über Ausschreibungsverfahren" erfolgt.
Anfang August hatte Staatschef Selenskyj alle regionalen Verantwortlichen für die Rekrutierung von Soldaten entlassen. Zuvor waren Fälle von Korruption bei der Rekrutierung bekannt geworden. Demnach konnten sich Wehrpflichtige mit Schmiergeldzahlungen dem Dienst an der Waffe entziehen.
Die Führung in Kiew zeigt sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine bemüht, konsequenter gegen Korruption und Bestechung im Land vorzugehen. Die Europäische Union hat Fortschritte bei der Bekämpfung der Korruption zu einer Bedingung für den von der Ukraine angestrebten EU-Beitritt gemacht.
Ukrainische Truppen rücken weiter vor
Einen Tag nach der offiziellen Rückeroberung des Dorfes Robotyne im Süden des Landes kommen die ukrainischen Streitkräfte nach eigenen Angaben weiter in der Region voran. Die Truppen seien in der teils von Russland besetzten Region Saporischschja tiefer in Richtung der russischen Verteidigungslinien vorgedrungen, sagte Armeesprecher Andriy Kowaljow staatlichen Medien. Es gebe "Erfolge in Richtung von Nowodanyliwka nach Werbowe", zwei Siedlungen in der Region. Die ukrainische Armee halte zudem zurückerobertes Gebiet weiter unter ihrer Kontrolle und greife die russische Artillerie an, führte der Armeesprecher aus.
Großbritannien: Sold in russischer Armee stark gestiegen
Seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine hat sich der Sold in der russischen Armee nach britischen Angaben deutlich erhöht. Das britische Verteidigungsministerium erklärte, Lohn und Bonusleistungen seien starke Motive, dem Militär beizutreten, "insbesondere für diejenigen aus den ärmeren Gebieten Russlands".
Inzwischen erhielten aber sogar schon mobilisierte Gefreite nach offiziellen Angaben 195.000 Rubel (aktuell 1887 Euro). Viele Unteroffiziere, die in der Ukraine kämpften, verdienten mehr als 200.000 Rubel monatlich. "Dies ist mehr als das 2,7-fache des russischen Durchschnittslohns von 72.851 Rubel", hieß es in London weiter.
Russland meldet Abwehr ukrainischer Drohnenangriffe
Russland hat nach eigenen Angaben abermals ukrainische Drohnenangriffe in zwei Regionen abgewehrt. Die Luftabwehr habe zwei Drohnen über der Region Tula südlich von Moskau abgeschossen, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Eine weitere Drohne sei am Montagabend über der an die Ukraine angrenzenden südrussischen Region Belgorod zerstört worden.
Vatikan verteidigt Papst-Äußerung zu russischen Zaren
Der Vatikan hat auf ukrainische Kritik an Worten des Papstes über zwei russische Herrscher des 17. und 18. Jahrhunderts reagiert. Mit seinen spontan formulierten Worten habe der Papst russische Jugendliche ermutigt, das beizubehalten, was es an Positivem im großen kulturellen und geistlichen Erbe Russlands gebe, so Vatikansprecher Matteo Bruni. Die imperialistischen Konzepte und die Persönlichkeiten früherer Epochen, die er lediglich genannt habe, um den historischen Zeitraum anzugeben, habe der Papst damit in keiner Weise loben wollen, erklärte der Sprecher.
Am Montag hatte der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Oleh Nikolenko, verlauten lassen: "Es ist sehr bedauerlich, dass russisches Großmachtdenken, das in Wirklichkeit die Ursache für Russlands chronische Aggressivität ist, bewusst oder unbewusst aus dem Mund des Papstes kommt." Mit solch "imperialistischer Propaganda" und der Behauptung, das große Russland müsse gerettet werden, rechtfertige der Kreml die Ermordung Tausender Ukrainer.
Franziskus hatte am Freitag in einem Video-Gespräch zu jungen Menschen in Russland gesagt: "Vergesst niemals das Erbe. Ihr seid Erben des großen Russlands: des großen Russlands der Heiligen, der Könige, des großen Russlands von Peter dem Großen, von Katharina II." Dieses Reich habe eine große Kultur und "viel Menschlichkeit" besessen. "Ihr seid Erben der großen Mutter Russland, macht weiter damit."
Die spontan formulierten Worte des Papstes auf Spanisch hatte der Vatikan auf seiner Homepage nicht veröffentlicht, sie verbreiteten sich dennoch über digitale Netzwerke.
Die Vatikanbotschaft in Kiew hatte bereits am Montag die Interpretation dementiert, Franziskus habe junge russische Katholiken ermutigt, "sich von historischen russischen Persönlichkeiten inspirieren zu lassen, die für imperialistische und expansive Ideen und Handlungen bekannt sind". Der Papst sei "ein entschiedener Gegner und Kritiker jeglicher Form von Imperialismus oder Kolonialismus bei allen Völkern und in allen Situationen".
Binance erwägt Rückzug aus Russland
Die weltgrößte Kryptowährungsbörse der Welt, Binance, bewertet ihr Russlandgeschäft neu. Dies beinhalte auch die Möglichkeit eines Rückzugs aus einem einst wichtigen Markt, sagte ein Sprecher dem "Wall Street Journal". "Alle Optionen liegen auf dem Tisch, einschließlich eines vollständigen Rückzugs".
Russland kehrt in internationalen E-Sport zurück
Russland darf im E-Sport wieder unter eigener Flagge teilnehmen. Das hat nach russischen Angaben der Internationale E-Sportverband IESF beschlossen. "Die russische Computersport-Nationalmannschaft wird wieder unter ihrer eigenen Flagge und ihrem eigenen Namen an den Wettkämpfen teilnehmen können", heißt es in der russischen Erklärung.
Der Präsident der IESF, Vlad Marinescu, ist auch Generaldirektor des Internationalen Judo-Verbandes (IJF). Die Ukraine hatte die Judo-Weltmeisterschaft in Katar boykottiert, nachdem der Weltverband IJF russische und weißrussische Judoka zur Teilnahme zugelassen hatte.
rb/wa/se/AR (AFP, AP, dpa, epd, KNA, Reuters)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.