Aktuell: Moskau verabschiedet neue außenpolitische Strategie
31. März 2023
Das Wichtigste in Kürze:
- Russland verabschiedet neue außenpolitische Strategie
- Lukaschenko zur Stationierung strategischer Atomwaffen in Belarus bereit
- Selenskyj erinnert in Butscha an russische Kriegsverbrechen
- Xi bekräftigt bei Sànchez-Besuch ein Peking Kritik am Westen
- USA werfen Russland Waffenkauf in Nordkorea vor
Russland hat eine neue außenpolitische Strategie verabschiedet, in welcher der Westen zur "existenziellen Bedrohung" erklärt wird. Die neue Strategie sei durch die aktuellen "Umwälzungen im internationalen Bereich" notwendig geworden, erklärte Präsident Wladimir Putin. Sein Außenminister Sergej Lawrow sprach von einer Reaktion Moskaus auf die "existenzielle Natur der Bedrohungen der Sicherheit und Entwicklung unseres Landes durch Aktionen unfreundlicher Staaten".
Moskau hat rund 20 Staaten als "unfreundlich" eingestuft. Zu ihnen zählen unter anderen die USA, Deutschland, Großbritannien und Polen. Sie alle haben wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine massive Sanktionen gegen Moskau verhängt. Lawrow warf konkret den USA vor, "Hauptanstifter, Organisator und Vollstrecker der aggressiven antirussischen Politik" in der Welt zu sein. Europa wird in dem Dokument zu einer größeren Eigenständigkeit gegenüber den USA aufgerufen. Washington und seine Verbündeten führten einen "hybriden Krieg" gegen Moskau.
Als strategische Partner Russlands gelten der Doktrin zufolge China und Indien. Gegenüber anderen Ländern werde sich Moskau so positionieren, wie diese sich gegenüber Russland verhielten. Vor dem Hintergrund des Angriffskriegs gegen die Ukraine proklamiert Russland als Hauptziel, das "nahe Ausland" - gemeint sind die Ex-Sowjetrepubliken - zu einer "Zone des Friedens, guter Nachbarschaft, nachhaltiger Entwicklung und des Gedeihens" zu machen.
Belarus erlaubt russische strategische Atomwaffen auf seinem Territorium
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat sich auch zur Stationierung strategischer russischer Atomwaffen auf dem Gebiet von Belarus bereiterklärt. "Wenn nötig, werden Putin und ich entscheiden, ob wir hier strategische Waffen stationieren", sagte Lukaschenko in einer Rede an die Nation. "Wir werden vor nichts zurückschrecken, um unsere Länder, unsere Staaten und unser Volk zu verteidigen", fügte er hinzu.
Strategische Atomwaffen haben eine größere Reichweite und Wirkungskraft als taktische Atomwaffen. Putin hatte am vergangenen Wochenende erklärt, dass Russland taktische Atomwaffen in Belarus stationieren werde, von strategischen Atomwaffen sprach er jedoch nicht. Lukaschenko gilt als politisch, wirtschaftlich und militärisch stark abhängig vom Kreml. Schon länger erlaubt Belarus dem großen Nachbarn die Nutzung seiner Militärbasen für russische Angriffe auf die Ukraine.
Selenskyj in Butscha - Gedenken mit internationalen Gästen
Am ersten Jahrestag der Befreiung der Kleinstadt Butscha von russischen Truppen hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dort zusammen mit internationalen Gästen der Opfer gedacht. "Auf den Straßen von Butscha hat die Welt das russische Böse gesehen, das Böse ohne Maskierung", sagte der Staatschef in Butscha. Der Kreml habe solche Verbrechen auch auf anderen Straßen der Ukraine und der Welt anrichten wollen.
Auf einem neu eingerichteten Platz für die Verteidiger von Butscha wurde eine riesige ukrainische Flagge gehisst. Am Gedenken nahmen die moldauische Präsidentin Maia Sandu und die Regierungschefs der Slowakei, Sloweniens und Kroatiens - Eduard Heger, Robert Golob und Andrej Plenkovic - teil. An der zentralen Andreaskirche erinnerten sie zudem an einer Fundstätte von Massengräbern an die Toten.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat eine Ahndung der dort begangenen Kriegsverbrechen gefordert. "Die Gräueltaten von Butscha vor einem Jahr führten der Welt vor Augen, was Putins Krieg bedeutet. Auch mir haben sich die Bilder eingebrannt", schreibt der Kanzler auf Twitter. "Diese Verbrechen dürfen nicht straflos bleiben. Dafür stehen wir geeint hinter der Ukraine. Russland wird nicht siegen!"
Die Kleinstadt Butscha war im März 2022 mehrere Wochen von russischen Truppen besetzt. Am 30. März zogen diese ab und am 31. wurde die Stadt als befreit erklärt. Nach der Veröffentlichung von Bildern, die rund 20 auf einer Straße liegende, teils gefesselt aufgefundene Tote zeigen, wurde Butscha zum Symbol russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine. Mehr als 400 Leichen wurden in der Kleinstadt bei Kiew gezählt.
Xi bekräftigt bei Sànchez-Besuch in Peking Kritik am Westen
Bei einem Treffen mit Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez hat Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping seine Kritik am Westen wiederholt. Die "Mentalität des Kalten Krieges" und die "Blockkonfrontation" müssten aufgegeben werden, sagte der Machthaber nach Angaben des chinesischen Staatsfernsehens. Auch sollten "extreme Sanktionen und Druck" beendet werden. Damit stellte sich Xi indirekt wieder hinter seinen "strategischen Partner" Russland.
Er sprach sich auch für die Schaffung einer ausgewogenen Sicherheitsarchitektur in Europa aus, was Beobachter gemeinhin als Kritik an der Ausweitung der NATO werten. Ähnlich wie in dem jüngst veröffentlichten chinesischen Positionspapier zur Ukraine gibt es weiter keine Kritik an dem russischen Angriffskrieg. Sánchez hatte mit seinem Besuch eigentlich die Chancen für eine eventuelle Vermittlung Chinas ausloten wollen. Spanien übernimmt von Juli an turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft. Xi hatte erst vergangene Woche Moskau besucht und damit Russlands Präsident Putin nochmals den Rücken gestärkt.
Russland will offenbar Waffen von Nordkorea kaufen
Die USA haben Russland vorgeworfen, sich von Nordkorea neue Rüstungsgüter für den Ukraine-Krieg besorgen zu wollen. Wie der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates im Weißen Haus, John Kirby, in Washington mitteilte, versuchte ein 56-jähriger Slowake mit Unterstützung russischer Vertreter, eine "heimliche Waffenvereinbarung zwischen Russland und Nordkorea" auf die Beine zu stellen. Das US-Finanzministerium habe Sanktionen gegen den Mann verhängt.
Demnach ging es bei den Gesprächen zwischen Ende vergangenen Jahres und Anfang dieses Jahres darum, dass Nordkorea "mehr als zwei Dutzend Arten von Waffen und Munitionen" an Russland liefern könnte - im Gegenzug für Passagierflugzeuge, Rohstoffe und andere Güter.
Kirby fügte hinzu, dass "jede Waffenvereinbarung zwischen Nordkorea und Russland direkt gegen eine Reihe von Resolutionen des UN-Sicherheitsrates verstoßen" würde.
Die USA hatten Nordkorea bereits im vergangenen November vorgeworfen, Russland heimlich mit Artilleriemunition für den Krieg gegen die Ukraine zu beliefern. Nordkorea habe eine "bedeutende" Menge Munition verschickt, sagte Kirby damals. Im Januar sprach Kirby von einer nordkoreanischen Rüstungslieferung an die im Ukraine-Krieg kämpfende russische Söldnertruppe Wagner.
USA schulen mehr als 7000 ukrainische Soldaten
Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine haben die USA nach eigenen Angaben mehr als 7000 Mitglieder der ukrainischen Streitkräfte ausgebildet. Das Training habe an verschiedenen Standorten im In- und Ausland stattgefunden, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat Ryder, in Washington.
Erst in den vergangenen Tagen hätten 65 Ukrainer im Bundesstaat Oklahoma ihre Ausbildung am Flugabwehrsystem Patriot abgeschlossen und seien nun wieder in Europa. Das Patriot-System zählt zu den modernsten Flugabwehrsystemen der Welt. Damit können feindliche Flugzeuge, ballistische Raketen und Marschflugkörper bekämpft werden. Die USA und Deutschland hatten Kiew jeweils ein Patriot-System überlassen.
Auch an Standorten des US-Militärs in Deutschland wurden in den vergangenen Monaten ukrainische Soldaten trainiert. Ryder sagte, mit Stand Ende März hätten in der Bundesrepublik mehr als 4000 ukrainische Soldaten die Ausbildung an Bradley-Schützenpanzern und Radschützenpanzern des Typs Stryker abgeschlossen. Ryder betonte, die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte sei eine internationale Anstrengung. Derzeit würden mehr als 11.000 Ukrainer in 26 verschiedenen Ländern geschult.
Konten des Goethe-Instituts in Russland blockiert
Das Auswärtige Amt in Berlin hat bestätigt, dass die Konten des Goethe-Instituts in Russland von den Behörden blockiert worden sind. Man sei mit dem Institut in Kontakt, sagte eine Ministeriumssprecherin. Weitere Auskünfte könne sie aber derzeit nicht geben.
Offizielle Sportboykott-Anweisung aus Kiew
Die ukrainische Regierung hat die Sportlerinnen und Sportler des Landes angewiesen, Wettbewerbe zu boykottieren, an denen Aktive aus Russland und Belarus teilnehmen. Diese Entscheidung wurde von Oleh Nemtschinow, Kabinettsminister und Mitglied des Nationalen Olympischen Komitees der Ukraine, im Fernsehen verkündet. Kiew reagierte damit von höchster Stelle auf die Empfehlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) vom Dienstag, einzelne Sportlerinnen und Sportler aus Russland und Belarus unter Bedingungen wieder zu internationalen Wettkämpfen zuzulassen.
In den Tagen danach riefen einzelne ukrainische Sportler zum Boykott auf beziehungsweise kündigten individuell an, nicht gegen Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus anzutreten. Mehrere Aktive prüfen zudem eine Klage gegen die Entscheidung des IOC. Verschiedene Sport- und Menschenrechtsexperten räumen diesem Vorhaben durchaus Chancen auf Erfolg ein.
Türkei ratifiziert NATO-Beitritt Finnlands
Die Türkei hat als letztes NATO-Mitglied den Beitritt Finnlands in das Militärbündnis gebilligt. In der Hauptstadt Ankara votierten die Abgeordneten im Parlament einstimmig für den Antrag des nordeuropäischen Landes. Damit kann Finnland vermutlich schon in der kommenden Woche als 31. Mitgliedsland der NATO beitreten.
Sein Nachbar Schweden muss dagegen noch um die Aufnahme bangen, weil die Türkei und Ungarn sich bislang weigern, dem Beitritt zuzustimmen.
OSZE lässt Kinderverschleppung untersuchen
Die Verschleppung ukrainischer Kinder im russischen Angriffskrieg soll im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) untersucht werden. Eine Gruppe von 45 OSZE-Staaten setzte in Absprache mit Kiew einen Prozess in Gang, um den Vorwürfen vor Ort nachzugehen.
Die ukrainische Regierung wirft Moskau vor, Tausende Kinder illegal aus besetzten Gebieten der Ukraine nach Russland deportiert zu haben. Das Menschenrechtsbüro der OSZE hatte entsprechende Berichte im Dezember als glaubwürdig eingestuft. Moskau bestreitet Kriegsverbrechen und betont, die Kinder seien vor dem Krieg in Sicherheit gebracht worden.
Im Namen der 45 Staaten forderte Deutschlands OSZE-Botschafterin Gesa Bräutigam eine Expertenmission, die Fakten sammeln soll, um diese "nationalen, regionalen oder internationalen Gerichten oder Tribunalen" zur Verfügung zu stellen. Die Staaten lösten damit den sogenannten Moskau-Mechanismus der OSZE zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen aus. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hatte Mitte März wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Putin erlassen. Laut dem Gericht ist er mutmaßlich für die Kinder-Deportationen verantwortlich.
qu/jj/mak/wa/kle/sti (afp, dpa, rtr)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.