Ukraine-EU
19. Dezember 2012Noch immer würde eine Mehrheit von 52 Prozent der Ukrainer einen Beitritt zur Europäischen Union unterstützen. Aber die Zahl der Befürworter liegt mittlerweile auf dem niedrigsten Niveau seit zwei Jahren. Dies ist das Ergebnis des aktuellen DW-Trends Ukraine für den Monat Dezember. Dafür hat das ukrainische Büro des Meinungsforschungsinstitut IFAK Ukraine repräsentativ 1000 Personen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren in der Ukraine befragt.
Im Juni 2012 sprachen sich 53 Prozent der Ukrainer für eine EU-Mitgliedschaft ihres Landes aus. Im Vorjahr waren es noch 74 Prozent. Vor dem Hintergrund der europäischen Finanzkrise und der Aussetzung des Assoziierungsprozesses zwischen der EU und der Ukraine wächst damit auch aus Sicht der ukrainischen Bürger die Kluft zwischen ihrem Land und Europa. Bemerkenswert ist dabei auch, dass in den letzten sechs Monaten die Zahl der Befürworter eines möglichst schnellen Beitritts - also bereits innerhalb der nächsten fünf Jahre - um elf Prozentpunkte auf jetzt 26 Prozent gestiegen ist. Vor allem unter den 18- bis 29-Jährigen spricht sich jeder Dritte (35 Prozent) für einen Beitritt in den nächsten fünf Jahren aus.
Hauptziel der Europäischen Union ist aus Sicht der Ukrainer weiterhin mit 46 Prozent das Wirtschaftswachstum. Dies ist ein Ziel, das 60 Prozent der Befragten auch persönlich unterstützen. Die Entwicklung gemeinsamer Werte wie Demokratie und Meinungsfreiheit wird hingegen nur von 23 Prozent der Befragten als wichtiges Ziel der EU wahrgenommen. Andererseits stellt auch nur eine Minderheit von 18 Prozent hier konkrete Erwartungen an die EU. Das sind sieben Prozent weniger als vor einem halben Jahr.
Obwohl die Unterstützung für einen EU-Beitritt abnimmt, bewerten die Ukrainer die Beziehungen ihres Landes zur EU inzwischen deutlich besser als noch vor einem halben Jahr. Im Juni 2012 während der Fußball-Europameisterschaft hagelte es Kritik aus Europa bezüglich der Menschenrechte in der Ukraine und wegen des Umgangs mit Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko. 37 Prozent der Ukrainer bezeichneten damals das Verhältnis zur EU als angespannt oder sogar verfeindet. Inzwischen sagen dies nur noch 19 Prozent. Fast jeder Dritte (28 Prozent) hält die Beziehungen heute wieder für freundschaftlich oder partnerschaftlich (Juni 2012: 13 Prozent). Auch die Beziehungen zu Deutschland haben sich aus Sicht der Ukrainer verbessert. 32 Prozent beurteilen diese im DW-Trend für Dezember als freundschaftlich oder partnerschaftlich. Die Zahl der Menschen, die das ukrainisch-deutsche Verhältnis als angespannt bewerten, hat sich von 21 Prozent (Juni 2012) auf zehn Prozent im Dezember halbiert.
Zugleich hat sich die in den letzten zwölf Monaten zu beobachtende Annäherung der Ukraine an Russland deutlich verstärkt. Inzwischen halten 55 Prozent der Befragten das ukrainisch-russische Verhältnis für freundschaftlich oder partnerschaftlich (Juni 2012: 43 Prozent). Diese überwiegend positive Einschätzung wird auch im traditionell eher Russland-skeptischen Westen der Ukraine geteilt. Es zeichnet sich also ein Szenario ab, vor dem die Befürworter eines schnellen EU-Beitritts der Ukraine gewarnt haben: In Ermangelung einer EU-Perspektive könnte sich die Ukraine wieder verstärkt Russland zuwenden.
Die Einschätzung mancher Beobachter, dass die Ukraine ein Bindeglied zwischen Europa und Russland sein könne, teilt weiterhin nur eine Minderheit der Bevölkerung (22 Prozent). Nach wie vor beurteilen viele Ukrainer das Image ihres Landes in Europa negativ. Während im Jahr 2011 nur 14 Prozent meinten, ihr Land spiele international kaum eine Rolle, sind es inzwischen 27 Prozent. Bezeichnend ist auch, dass weiterhin jeder Dritte (33 Prozent) glaubt, dass die Ukraine als Lieferant für billige Arbeitskräfte und Rohstoffe gesehen werde und nicht als ein zuverlässiger strategischer Partner (7 Prozent).
Attraktiv als Reiseziel sind die Länder der Europäischen Union für 78 Prozent der Ukrainer. Unter den 18- bis 39-Jährigen würden sogar über 80 Prozent gerne in Länder der Europäischen Union reisen. Ein Hindernis sind dabei nach wie vor die bestehenden Visa-Regeln. Jeder zweite Ukrainer gibt an, er würde öfter nach Europa reisen, wenn die Visumspflicht für die EU entfiele.